Ak-Shiirak - Skiabenteuer Tienschan 2003

Chronik Teil 2 - Bischkek bis Petrovsee

04.04.2003 - Flug von Deutschland nach Bischkek
Mit Thomas Niederlein ist am Donnerstagabend bereits der Erste vom Flughafen Frankfurt in Richtung Moskau gestartet. Die anderen drei verlassen Dresden bereits am zeitigen Morgen, 5.30 Uhr, in Richtung Berlin, wo am Vormittag unser Flieger nach Moskau startet. Die Rucksäcke sind wieder einmal deutlich schwerer als die übliche 20-kg-Freigepäckgrenze dies eigentlich zuläßt, aber bisher hat das mit etwas Überredungskunst beim Einchecken noch immer geklappt, und so sind wir optimistisch und freuen uns auf die bevorstehende Tour.
In Berlin geht dann auch erwartungsgemäß alles klar und schon bald sitzen wir im Flugzeug nach Moskau. Dort treffen wir auf Thomas und gemeinsam geht es weiter in die kirgisische Hauptstadt Bischkek.
05.04.2003 - Ankunft in Kirgistan und Fahrt nach Karakol
Planmäßig erreichen wir um 3.45 Uhr Bischkek und auch unser Gepäck ist vollzählig und unversehrt mit angekommen (was bei Skitransport im Fluggepäck leider nicht immer selbstverständlich ist - zu oft haben wir schon negative Überraschungen mit den als Sperrgepäck deklarierten Ski erlebt). Es kann also unverzüglich weitergehen, und so begeben wir uns am Morgen umgehend zum Busbahnhof von Bishkek und besorgen uns Fahrkarten für den nächstmöglichen Bus nach Karakol (ehemals Prshewalsk) am anderen Ende des riesigen Issyk-Kul-Sees. 10 Uhr sitzen wir schließlich im Bus und verbringen die lange Fahrt am Nordufer des Issyk Kul zumeist mit Blick aus dem Fenster auf die verschneiten Berge, die ab und zu auftauchen.
19 Uhr erreichen wir schließlich Karakol und quartieren uns im vorab organisierten Hotelzimmer ein.
Karakol selbst liegt etwa 1700m hoch und die Temperaturen liegen hier zur Zeit knapp über dem Nullpunkt. Ringsum sieht man trotz bedecktem Himmel zahlreiche weiße Berge und vereinzelte Schneeflecken reichen auch bis hinunter in die Stadt. Ab ca. 2300m Höhe gibt es eine geschlossene Schneedecke und die Verhältnisse sind damit genau so, wie wir uns das vorgestellt haben.
06.04.2003 - Fahrt bis zum Ende der befahrbaren Piste und erste Etappe auf Ski
Der Wecker klingelt bereits um 6.00 Uhr, 6.30 Uhr gibt es Frühstück. Unser Fahrer kommt gegen 7.00 Uhr und kurz vor halb acht fahren wir schließlich los in Richtung Svetlaja Poljana. Dort endet die asphaltierte Straße und ein matschiger, teils noch schneebedeckter Fahrweg führt hinein ins Tal Chon-Kyzyl-Suu.
Der Fahrer gibt sein bestes und der GAZ (ein geländegängiger Allrad-LKW mit Ottomotor) meistert einige Passagen, an denen Chayenne, Landrover und Co. schon lange verzweifelt wären. Irgendwann ist jedoch selbst für den GAZ im tiefen Schnee einfach Schluß. Wir laden ab, zapfen uns noch 7 Liter Benzin für unsere Kocher aus dem Tank, schnallen die Ski an und los geht's.
Der Weg führt über verschneite Almwiesen und durch herrliche Fichtenwälder. Gegen 11.30 Uhr erreichen wir eine Fuhrt, der Weiterweg führt am anderen Bachufer entlang. Durchwaten kommt natürlich nicht in Frage und so versucht es Anne zunächst über eine Schneebrücke. Die bricht jedoch ein und Anne holt sich nasse Schuhe. Uns bleibt nur, mit den schweren Rucksäcken und in Skischuhen vorsichtig über glatte, vereiste Steine zu balancieren. Diesmal erwischt es Thomas, der kurz vor dem sicheren Ufer abrutscht und ebenfalls einen Schuh ins Wasser taucht. Zum Glück dringt beide Male nur wenig Wasser ein, so daß es sofort weiter gehen kann.
Wenig später erreichen wir eine verfallene Wetterstation, an der die letzten Spuren enden. Das Tal teil sich hier und wir wählen den rechten Abzweig. Gegen 15.00 Uhr erreichen wir einen schneefreien Grasfleck und schlagen dort unser Zelt auf.
07.04.2003 - Zweite Etappe auf Ski - Aufstieg bis 3250m
Über Nacht schneit es ein wenig. Nach dem Frühstück und Abbau der Zelte dringen wir weiter in Richtung Talende vor. Zunächst ist es genauso flach wie gestern, viele Höhenmeter sind da nicht zu machen. Das Tal teilt sich erneut und wieder halten wir uns rechts. Nun endlich geht es durch den Wald steiler bergan. Bei 3000m erreichen wir die Waldgrenze und müssen uns zu Fuß 150m durch dornige Sträucher hindurchkämpfen. Mit Genußskitouren wie in den Alpen hat das wenig zu tun, doch dafür sind wir hier inmitten eines tief verschneiten und einsamen Gebirges die einzigen Menschen weit und breit...
Die Strauchpassage und zwei erneute Bachquerungen kosten viel Zeit. Anschließend wird das Tal jedoch wieder breiter und flach. Wir gehen noch etwa 2km weiter und schlagen dann, als es wieder zu schneien beginnt, unsere Zelte in 3250m Höhe auf. Unweit des Zeltplatzes hören wir tief unterm Schnee verborgen Wasser glucksen. Um Kocherbenzin zu sparen, graben wir ein tiefes Loch und finden auch tatsächlich Wasser. Somit ist dieser Lagerplatz sogar recht komfortabel und das halbstündige Schaufeln erspart uns immerhin mehrstündiges Schneeschmelzen.
Zeitig geht es in die Schlafsäcke, denn bei immer stärker werdendem Schneefall ist es draußen ohnehin recht ungemütlich...
08.04.2003 - Rast- und Akklimatisationstag
Es schneit die ganze Nacht hindurch. Der viele Schnee drückt die Zelte zusammen, so daß im Morgengrauen erst einmal kollektives Schneeschaufeln angesagt ist. Wenigstens wird uns dabei schön warm, denn die Temperaturen liegen deutlich unter dem Gefrierpunkt. Durch den dichten Schneefall ist außerdem die Sicht sehr schlecht, so daß wir es mit dem Aufbruch nicht besonders eilig haben. Der Schneefall will jedoch einfach nicht aufhören. So bleiben wir in unseren warmen Schlafsäcken liegen und warten ab.
Gegen 10 Uhr hört es endlich auf zu schneien. Bald darauf schieben sich sogar erste Sonnenstrahlen durch die Wolken. Jetzt noch loszugehen, lohnt sich jedoch nicht mehr wirklich, denn bis wir die Zelte aus dem über 50cm tiefen Neuschnee ausgegraben und alles halbwegs getrocknet und eingepackt haben, wäre es längst Mittag. Außerdem haben wir seit dem Start in Dresden noch keine wirkliche Pause eingelegt und so beschließen wir, einen Rast- und Akklimatisationstag einzulegen. Das bedeutet jedoch noch lange nicht, daß wir faul im Zelt liegen bleiben können, denn zunächst ist trotzdem erstmal Arbeit angesagt. Gemeinsam graben wir die Zelte aus und Thomas begibt sich mit der Schaufel auf die Suche nach unserer Wasserstelle. Diese hatten wir gestern schon fast einen Meter tief aus dem Schnee ausgegraben - natürlich ist inzwischen alles wieder zugeweht. Am Nachmittag wird das Wetter immer besser, blauer Himmel bildet die Kulisse für schöne Fotos. An den
Bergspitzen deuten lange Schneefahnen jedoch heftigen Wind an.
Wir verbringen den Tag bei unseren Zelten und genießen das erstmals so richtig schöne Wetter. Nebenbei bereiten wir alles für einen zeitigen Aufbruch am nächsten Tag vor und gehen dann auch entsprechend zeitig schlafen.
09.04.2003 - Dritte Etappe auf Ski - Aufstieg bis zum Pass Ashu-Tor 4164m
Über Nacht bringt der Wind neue Wolken heran, doch zunächst bleibt es noch trocken und auch die Sicht ist ausreichend für einen Weitermarsch. Punkt 8.30 Uhr starten wir in Richtung Ashu Tor, einem laut unseren verfügbaren Quellenangaben 4000m hohen Paß, der den Übergang über die Terskey-Ala-Tau-Kette hin zur Ak-Shiirak-Gruppe vermittelt.
Der tiefe Schnee erschwert das Vorankommen sehr, teilweise wechseln wir uns schon nach 100 Metern mit dem Spuren ab. Ab Mittag wird die Sicht wieder schlechter, leichter Schneefall setzt ein. Zum Glück haben wir eine gute Wegbeschreibung für den nördlichen Ashu-Tor-Gletscher mit dabei.
Allerdings müssen wir leider feststellen, daß die in drei verschiedenen Quellen angegebene Paßhöhe von 4000m nicht ganz stimmt. Unsere GPS-Messung ergibt 4164m und stimmt auch in etwa mit den ausgezählten Höhenlinien der alten sowjetischen Generalstabskarte im Maßstab 1:200.000 überein. Je weiter wir nach oben kommen, desto flacher wird der Gletscher. Der Weg zieht sich dadurch ganz schön in die Länge und es dauert noch eine ganze Weile, ehe wir endlich gegen 16.30 Uhr die Paßhöhe erreichen. Inzwischen ist aus dem Wind ein Schneesturm geworden, die Sicht beträgt maximal noch 50 Meter. Weitergehen ist unter diesen Bedingungen unmöglich, doch auch der Zeltaufbau verlangt uns unter diesen Bedingungen einige Anstrengungen ab. Als wir endlich in unseren Schlafsäcken liegen und der Kocher surrt, macht sich Erleichterung breit. Eine wesentliche Etappe auf unserem abenteuerlichen Weg haben wir nun geschafft, aber einiges steht uns auch noch bevor!
10.04.2003 - Vierte Etappe auf Ski - Abfahrt vom Ashu-Tor-Paß
In der Nacht rüttelt der Sturm am Zelt, von erholsamem Schlaf kann keine Rede sein. Am Morgen legt sich der Wind etwas, gegen acht Uhr verziehen sich auch die Wolken und wir können am Horizont zum ersten Mal die Gipfel der Ak-Shiirak-Gruppe bewundern. Von diesen Gipfeln trennen uns jedoch noch mindestens drei Tagesmärsche - wenn die Wetterbedingungen so bleiben, ein hartes Stück Arbeit!
Der heutige Tag beginnt zunächst mit der Abfahrt über den südlichen Ashu-Tor-Gletscher, doch dieser ist so flach (nur 300 Höhenmeter auf 3 km Strecke!), daß wir bei dem vielen Neuschnee fast immer schieben müssen. Hinter dem Gletscher geht es noch mehrere Kilometer weiter ganz flach bergab. Inzwischen hat es schon wieder angefangen, zu schneien und so schlagen wir, als wir unterm Schnee einen Bach mit brauchbarem Trinkwasser entdecken, unsere Zelte auf einer winzigen Anhöhe auf.
11.04.2003 - Fünfter Tag auf Ski - Erkundungsskitour und Gipfelbesteigungen
Nachdem der Sturm gestern abend etwas nachgelassen hat, kam er heute früh gegen 4.00 Uhr mit unverminderter Kraft zurück. Die Sicht ist auch völlig unzureichend, und so ist wieder mal spätes Frühstück angesagt. Nach 10.00 Uhr läßt sich zum ersten Mal die Sonne blicken, doch der Sturm hält unvermindert an. Um 12.00 Uhr ist das Stück blauer Himmel schon ziemlich groß und der Wind fast erträglich. Zum Zelte abbauen ist es allerdings zu spät und so ziehen Christian, Thomas und Sven 12.30 Uhr zu einer Erkundungs-Skitour los. Zunächst ersteigen sie den 3879 m hohen Vorgipfel von P4024. Von dort aus genießen sie einen phantastischen Panoramablick auf nahezu die gesamte Ak-Shiirak-Gruppe. Viele Fotos werden geschossen und so beschließen die drei, daß der Berg einen eigenen Namen verdient: Fotografenkogel. Nach der Abfahrt ins Nachbartal, das - ebenso wie der darin fließende Gletscher - noch keinen Namen besitzt, steigen sie auf der gegenüberliegenden Talseite in mäßig steilem Gelände wieder nach oben. Dies erweist sich jedoch als sehr mühsam. Der Wind hat den vielen Neuschnee der vergangenen Tage nur oberflächlich verfestigt, darunter liegen bis zu 1 Meter lockerer Schnee ohne jegliche Bindung. Ständig bricht man durch den Harschdeckel durch und muß sich erst mühsam wieder heraus kämpfen. Steilere Hänge sind bei solchen Verhältnissen ohnehin nicht befahrbar...
Thomas, Christian und Sven finden jedoch eine elegante Route auf einen recht abweisend und massiv aussehenden 4117m hohen Gipfel, den sie 14.45 Uhr erreichen. Oben ist solch ein Sturm, daß sie sofort wieder vom Gipfel abfahren und die Steigfelle erst 60 Meter tiefer an einer geschützten Stelle abziehen können. Die weitere Abfahrt ist alles andere als ein Genuß. Der bodenlos tiefe Schnee verhindert jeden schönen Skischwung. Unten am Zelt wartet Anne schon mit heißem Tee und leckerem Abendbrot. Der Sturm hat inzwischen wieder die volle Stärke vom Vormittag erreicht. Am Abend hört der Sturm endlich auf. Nach dem Sonnenuntergang ist der Himmel wolkenlos und es ist absolut windstill.
12.04.2003 - Sechster Tag auf Ski - Marsch zum Petrovsee
Eine sternklare Nacht bedeutet vor allem eines: Es wird sehr, sehr kalt. So müssen wir uns schon ziemlich tief in die Schlafsäcke verkriechen, um nicht zu sehr zu frieren. Wie kalt es draußen ist, wissen wir nicht, unser Therometer streikt unterhalb -25°C, im Zeltinneren messen wir -13 Grad Celsius. Selbst als die Sonne unser Zelt erreicht, dauert es noch eine ganze Weile, ehe die Temperaturen draußen erträglich sind. Hier merken wir zum erstenmal am eigenen Leib, daß die Ak-Shiirak-Gruppe eines der kältesten Gebiete der Erde ist. Mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von -7 Grad Celsius ist es hier deutlich kälter als im Himalaya oder Karakorum; deutlich kälter auch als auf der Nordpolarinsel Spitzbergen und nur 2 Grad wärmer, als an der russischen Antarktisstation Mirny!
Wir frühstücken, packen unsere Zelte zusammen und ziehen um 10.15 Uhr los. Unser heutiges Ziel ist der Petrovsee am Fuße des Petrovgletschers. Um dorthin zu kommen, müssen wir die Hochebene zwischen der Terskey-Ala-Tau Kette und dem Ak-Shiirak Massiv queren. Es gibt keine steilen Anstiege zu bewältigen, eher sind es mehrere Hügel, die wir überwinden müssen. Aus der Ferne sah die Hochebene zwar ganz flach aus, insgesamt müssen wir jedoch 500 Höhenmeter aufsteigen und auch wieder abfahren. Durch den Sturm der letzten Tage ist der Schnee oberflächlich stark verpreßt, so daß wir nur wenig einsinken und gut vorwärtskommen. Sven versucht immer wieder, die Abfahrten ohne Felle zu bewältigen, doch nur auf der letzten Abfahrt hinunter zum See lohnt es sich wirklich, die Felle von den Skiern zu ziehen. Der Schnee ist nur leicht aufgefirnt und auch bei den Schwüngen brechen wir nicht ein, eigentlich ideal zum Abfahren, aber mit den schweren Rucksäcken auf dem Rücken sind wir vom leichten Dahinwedeln noch ein gutes Stück entfernt...
Wie zu erwarten ist der See zugefroren. Auf der Suche nach Wasser gehen wir noch ein Stück am See entlang. Als Christian Wasser findet (indem er mit den Skiern durch die Schneedecke bricht und plötzlich mit Skiern und Schuhen im Wasser steht), schaufeln wir uns auf der Seitenmoräne einen Zeltplatz. Der heutige Tag war so, wie wir uns eigentlich alle Tage hier vorgestellt hatten: Blauer Himmel, Sonnenschein, Windstille, super Sicht und der Schnee nicht zu anstrengend...
Und so sitzen wir trotz der Kälte zum ersten Mal beim Essen draußen vor den Zelten und genießen den schönen Abend und die herrliche Landschaft. Kaum ist die Sonne untergegangen, wird es jedoch wieder empfindlich kalt und so kriechen wir schnell in die Schlafsäcke...

Wie es weitergeht lesen Sie in

*Chronik Teil 3 - Petrovsee bis Rückfahrt



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