alpinclub

Erdbeben in Pakistan
Hilfsaktion von Alpinclub und Bergwacht Sächsische Schweiz

Begwacht

Projekt: Wiederaufbau der Grundschule von Sakargah Teil 9: ab 31.8.2006

Link zum vorangegangenen Bericht Teil 8: 5.8.-30.8.8.2006

Team vor Ort: René Schriever, Jens Sommerfeldt, Annette Töpfer, Kerstim Haym

31.8.2006

KinderDas Team ist wieder vollzählig und hat medizinische Verstärkung bekommen. Gestern Abend bin ich mit Amir und Kerstin Haym erst nach Einbruch der Dunkelheit in unserem Camp angekommen.
Kerstin ist eine HNO-Ärztin und in der Bergwacht in Sachsen als Ärztin der Bereitschaft Großenhain aktiv. Sie hat sich extra für Sakargah, 2 Wochen aus ihrer Dresdner Praxis losgeeist, um den Leuten in Sakargah, aber vor allem den Frauen und Kindern, medizinische Hilfe zu leisten. Dies ist etwas was seit dem Tod der örtlichen Krankenschwester beim Erdbeben hier sehr fehlt.
Viel Zeit zum Ausruhen nach der Anstrengung von Flug und Fahrt hatte Kerstin leider nicht. Die ersten Patienten hat sie schon fachgerecht versorgt. Die Frau eines Arbeiters von uns hat Kindbettfieber und sie hatte da schon richtig zu tun. Aber sie wird sich morgen mit ihren ersten Eindrücken selber vorstellen.
Sonst war es schön zu sehen, was in den letzten Tagen auf der Baustelle geworden ist. Alle Dachbinder sind fertig und morgen wird das Dach aufgestellt. Da Rene nun am 14. September wieder nach Hause fliegt, wollen wir für ihn und natürlich die Arbeiter und Einwohner in Sakargah ein zünftiges Richtfest feiern. Sobald die Dachlattung fertig ist, steigt die Feier.
Über die Tage in Islamabad und Rawalpindi ist nicht viel zu sagen. Viel und anstrengende Arbeit aber sehr erfolgreich. Es gibt eigentlich irgendwie alles zu kaufen, man muß nur wissen wo und die chinesische Qualität ist halt nicht so toll. Hier zieht gerade mal wieder ein Gewitter auf, also ab ins Bett...
Jens Sommerfeldt

1.9.2006

Die Fahrt hierher war interessant und ab Besham dann richtig spannend: da Frauen im überhitzten Pick-up neben dem Fahrer sitzen müssen, sah ich alle Steine auf dem Felsbrockenweg noch riesiger im Scheinwerferlicht... dadurch zum Glück nicht den Abgrund...
Ich wurde sehr freundlich begrüßt und hatte nach dem langen Schlaf am nächsten Tag gleich einen Problemfall zu lösen, ohne vorher mal meine medizinischen Utensilien und Medikamente sortieren zu können. Kindbettfieber bei Erstgebärender und das mit schwierigen Verständigungsmöglichkeiten. Eine ordentliche Anamnese ist hier nicht zu erheben. Sehen, Fühlen, Hören, Riechen und Wissen sind meine einzigen Möglichkeiten. Aber dies scheint erfolgreich gewesen zu sein: heute geht es der Frau schon deutlich besser. Offensichtlich gehören Wadenwickel hier nicht zur Volksmedizin.
Sehr interessant aber auch ein bißchen erschreckend ist es, Neugeborene zu untersuchen: gestern ein 9 Tage altes, heute ein nur 24 Stunden altes, zweiteres evtl. mit Choanalatresie - Trinkschwäche.
Es ist unglaublich, wie dreckig man hier in ein paar Stunden wird. Für diese unbeschreiblichen Verhältnisse sind die Leute sehr gesund und die Antibiotika helfen gut. Heute hatte ich eine 60 jährige Frau mit Mittelohrentzündung und Warzenfortsatz sowie Keiferhöhlenbeteiligung und Fieber - endlich auch etwas in meiner Fachrichtung. Wir werden sehen, wie weiter. Ansonsten haben die Leute Bauchschmerzen/Darmträgheit, Kopfschmerzen, Arthroseschmerzen und jede Menge offene und eitrige Wunden an den Extremitäten, die zu pflegen sind - ein Kampf gegen Windmühlen...
Heute standen einige Visiten bei Großfamilien auf dem Plan. Das hat den Vorteil, daß man ohne große Wege gleich mehrere Patientinnen mit einem Mal beisammen hat.
Das Camp ist viel besser, als ich erwartet hatte. Karim der Koch bereitet an unsere Gewohnheiten angepaßte leckere Speisen, Nachts gibt es einen echten Nachtwächter und manchmal habe ich den Luxus von drei Übersetzern gleichzeitig, denn hier gibt es im Ort etliche verschiedene Sprachen.
Die Jungs sind sehr fleißig, die Schule gefällt mir gut. Wunderbar ist der Blick aus dem Dusch-Toilettenzelt - wohl eins der schönsten Asiens. Nachts sieht man herrliche Sterne. Also gute Nacht.
Kerstin Haym

2.-3.9.2006 Die Schlepperei geht weiter
Holzträger

Auch an den letzten 2 Tagen musste wieder einiges an Baumaterial zur Schule geschleppt werden. 1 Tonne Zement und täglich eine Menge Bretter und Kanthölzer. Super Leistung von unserer Trägermannschaft.
Unsere einheimischen Baufachmänner arbeiten nun weitgehend selbständig. Heute wurde im ersten Klassenraum der Unterbeton für den Fußboden eingebracht. Randdämmstreifen sind hier eigentlich unbekannt. Wir haben aber ein geeignetes Material dafür gefunden. Im Normalfall wird dies hier eigentlich unter die Teppiche gelegt. Es eignet sich bestens für diese Aufgabe.
In den Klassenräumen wird dann ein Zementestrich eingebracht. Das können unsere einheimischen Fachmänner sehr gut. Darauf soll dann textiler strapazierfahiger Belag. Der ist sehr preiswert und und nicht so kalt von unten.
SchmetterlingIm Außenbereich werden wir Marmorplatten verlegen. Das klingt nach Luxus, ist es aber nicht. Da es ein einheimischer Baustoff aus dem Hindukusch ist, ist es das preiswerteste geeignete Material was hier überhaupt zu bekommen ist. Viele Details im Außenbereich sind mit Natursteinen realisiert. Das sieht am besten aus. Also, es ist noch viel Arbeit bis zur Eröffnung.
Als nächstes wird das Dach geschlossen. Wir haben dazu orange beschichtete Wellblechplatten gekauft. Ein schöner Farbtupfer in der Landschaft.
Die schönsten Farbtupfer liefern aber gegenwärtig die Schmetterlinge im Sakargahtal. Sie sind so groß und farbenfroh, einfach phantastisch Leider bleibt dafür im Moment nicht soviel Zeit. Aber ein Ende ist abzusehen. Es hat sich viel getan, seit Anfang März.
Jens Sommerfeldt

4.9.2006 Dachstützen
Dachtützen

Heute haben wir wieder eine komplizierte Aufgabe gemeistert. Es ging um die Dachstützen für die Veranda. Sie halten einen Querriegel, der die Last vom Vordach aufnehmen soll. Das Problem ist dabei, daß wir ohne Gerüst auskommen müssen. Das bei einer Stützenlänge von 3,60 m und alles aus 12x12cm Kanthölzern. Ich hab lange darüber nachgedacht, wie wir das bewerkstelligen. Es ist gut gegangen.
Nun ist der Dachstuhl im wesentlichen fertig. Jetzt müssen nur noch die Kopfbänder an den Stützen angebracht werden und dann können wir mit der Lattung loslegen.
In diesem Zusammenhang können wir sagen, daß der Rohbau abgeschlossen ist. Das bedeutet das wir Richtfest feiern. Hier ist dieses zwar nicht bekannt aber wir wollen damit auch Rene und Kerstin verabschieden, die hier so tolle Arbeit geleistet haben und natürlich ein Dank an unsere Arbeiter damit verbinden. Eine lange Feier wird das aber nicht, denn die Aufgaben bis zur Eröffnung sind noch gewaltig und das ist im Moment das Wichtigste.
Jens Sommerfeldt

5.-6.9.2006

Kerstin HaymEs wurde weiter fleißig gearbeitet, inzwischen sind alle Dachlatten aufgebracht.
Auch das Wetter ist endlich etwas besser geworden. Seit 3 Tagen hat es nun keine Gewitter mehr gegeben. Wir hoffen, nun sind die schlimmsten Monsunregenfälle vorbei. Die hatten ja in diesem Jahr das gebeutelte Land Pakistan so hart getroffen, wie schon seit 40 Jahren nicht mehr. 108 Todesopfer und erhebliche Zerstörungen der Infrastruktur, gerade auch in den Erdbebengebieten sind die schreckliche Bilanz. Auch wir und unser Schulbau sind ja nicht ohne Beeinträchtigungen davongekommen.
Kerstin kümmert sich weiterhin intensiv um die medizinische Versorgung der Frauen im Dorf. Viele haben wohl noch nie ärztliche Hilfe gesehen. Die Menschen in Sakargah sind sehr gläubig und zusätzlich noch sehr ihren paschtunischen Traditionen verhaftet.
Darum ist es nahezu unmöglich, daß eine Frau einem männlichen Arzt vorgestellt wird, und Ärztinnen, die es in den deutlich moderneren und offeneren Großstädten sehr wohl gibt, verirren sich nun mal nicht in ein solch abgelegenes Bergdorf.
Aber selbst für Kerstin ist es nicht immer leicht hier einen Zugang zu den Betroffenen zu finden. In einigen Familien ist der Mann sehr an der Gesundheit seiner Frau oder seiner Tochter interessiert und ist dann auch sehr kooperativ.
In anderen Fällen geht es dem Hausherren eher darum, seine eigenen Wehwehchen mal begutachten zu lassen weil er der Aussage der lokalen Ärzte, daß es harmlos sei nicht traut und für seine Frau, wegen deren Erkrankung Kerstin extra in das Haus gekommen ist, bleibt dann nur wenig Zeit.
Aber auch für unser eigenes Team ist ein wenig ärztlicher Beistand mal ganz angebracht. Annette, Jens und besonders Rene sind nun schon eine ganze Weile vor Ort und haben hier unter schwierigen Bedingungen ohne Pause 7 Tage in der Woche hart gearbeitet und dabei eher wenig auf die eigene Gesundheit geachtet.
So hat sich im Laufe der Zeit eine gewisse Menge an unangenehmen Kleinigkeiten wie Durchfälle, entzündete Flohbisse, Hautprobleme usw. angesammelt. Alles nicht so dramatisch, aber die drei haben es doch sehr geschätzt, daß Kerstin Haym sie alle wieder gesund gepflegt hat.

7.9.2006 Richtfest
Rene Schriever

Heute wurde - ganz nach deutscher Tradition - Richtfest gefeiert. Für unser Projekt ist dies wieder ein bedeutender Meilenstein, der erreicht wurde. Für Rene war es der Höhepunkt einer langen, intensiven und anstrenden Zeit in Sakargah. Er hat einen ganz wesentlichen Anteil am Gelingen unseres Schulprojektes. Seit dem 13.7. - zunächst mit Haike und Tilo, dann mit Moritz und zuletzt mit Jens und Annette hat er in Sakargah mit vollem Einsatz gekämpft. Seinen sehnlichen Wunsch, die Schule komplett fertigzustellen, konnte er sich leider trotz Verlängerung seiner Einsatzzeit um mehr als 2 Wochen nicht ganz erfüllen.
Die nicht einkalkulierten Verzögerungen durch die Flutkatastrophe in unserem Camp, die Probleme bei der Holzbeschaffung und die fortwährenden Unwetter konnten am Ende doch nicht so kompensiert werden, wie zunächst gehofft. Insofern ist dieses Richtfest auch eine Feier für Rene, denn er wird sich in wenigen Tagen verabschieden müssen und damit bei der Einweihung nicht mehr mit dabei sein können.
Dennoch wird Rene mit ruhigem Gewissen nach Hause fahren können. Die Fertigstellung der Schule in den nächsten Wochen liegt bei Jens in guten Händen und ist nach dem Richtfest nun eigentlich durch nichts mehr ernsthaft zu gefährden.
Zuvor fährt aber schon Kerstin wieder nach Hause - ihre Patienten in ihrer Dresdner HNO-Praxis warten schon auf ihre Frau Dr. Haym. Annette wird sie nach Islamabad begleiten und dort gleich wegen verschiedener Dinge noch einmal die =>ERRA aufsuchen.

8.9.2006
Richtfest

Nachdem wir gestern ein für deutsche Verhältnisse eher bescheidenes Richtfest gefeiert haben, ging es heut weiter im Plan. Die Hälfte des Daches ist mit orangefarbenen Wellblechplatten belegt. Die Kopfbänder kommen an die Stützen für die Veranda und die Türrahmen sind montiert. Der Estrich Fußboden ist auch fertig.
Für Morgen war eigentlich die Fahrt nach Mansera geplant um die Marmorplatten für de Fußboden und die Sanitärarmaturen zu kaufen. Rene freute sich schon auf den Ausflug. Doch leider mußte der Plan geändert werden.
Heute Abend erhielten wir eine Nachricht von der Polizeistation. Morgen wird der Deputy Chairman der ERRA aus Islamabad unserer Schule ein Besuch abstatten. Er ist der stellvertretend Chef dieser riesigen Behörde, die ausschließlich dem Premierminister untersteht. Es scheint also, daß wir nach wie vor die ersten seien werden, die ihre Schule eröffnen.
Schade eigentlich, daß Annette heut nach Islamabad mitgefahren ist. Sie wollte in die ERRA und mit diesen Leuten sprechen. Nun kommen sie zu uns. Wir sind echt gespannt wie das wird und wie der Büromann zu uns auf den Berg kommt. Direkt hier oben kann er ja nicht mit dem Helikopter landen, vom Landeplatz unten am Fluß, muß er schon zu Fuß aufsteigen - mal sehen. Auf jeden Fall werden wir etwas Ordnung machen und ansonsten normal weiter arbeiten. Große Unterbrechungen können wir uns jetzt nicht leisten.
WasserkraftwerkHeute Abend haben wir das mit unserer finanziellen Unterstützung im Bau befindliche Wasserkraftwerk angeschaut. Der damit beauftragte Rasta Mohamed hat wirklich gute Arbeit geleistet. Jetzt steht ein 8m großer Betonturm am Hang. Einige Details müssen wir mit ihm noch absprechen und einige Änderungen vornehmen. Aber diese Sachen können jetzt noch gemacht werden und den Zement bekommt er ja von uns. Nach der Fertigstellung wird das Wasser insgesamt 30m durch ein großes Rohr auf die Turbinenschaufeln fallen und den 20 Kilowatt Generator antreiben. Damit können dann 2 Ortsteile von Sakargah mit Strom versorgt werden.
Kerstin wird wohl schon wieder die erste Nacht in einem richtigen Zimmer verbringen. Morgen hat sie einen wohlverdienten Ausflugstag in Islamabad und wird am Sonntag früh nach Hause fliegen.
In ihrem Bericht hatte sie ja erwähnt, daß ein 24 h alter Säugling zu uns ins Camp gebracht wurde. Wir hatten den Vater ins Hospital geschickt, da wir hier natürlich nicht die Diagnose Möglichkeiten für Neugeborene haben. Heute wurde dieses Kind leider begraben. Nur 10m oberhalb der Schule ist ein kleiner Friedhof mit sehr vielen Kindergräbern. Es ist sehr traurig, aber die Kinder und Säuglingssterblichkeit ist hier sehr hoch. Gut das Kerstin das nicht erleben mußte. Wenn sie in Deutschland ankommt, wird sie hoffentlich schon etwas Abstand gewonnen haben. Doch wir konnten dem Kind nicht helfen. Leider.
Jens Sommerfeldt

Die Fahrt zurück nach Islamabad war gut. Wir haben es in 6 Std. geschafft. Das Mittagessen in Mansera war vorzueglich. Beide kein Durchfall...
Heute Nacht ist Annnettes Floh bei mir gewesen, hoffentlich nur zu Besuch, sonst muss er sich auf Deutschland gefasst machen, das ueberlebt er bestimmt nicht...
Kerstin Haym Islamabad

9.9.2006 Der große Besuch
Helipad

Ist leider nicht gekommen! Früh kam noch einmal ein Trupp Soldaten zu uns und informierte uns erneut über den bevorstehenden großen Besuch von Lieutenant General Nadeem. Außerdem wurde Major Amir aus Bana angekündigt. Auch die Polizeistation von Kund kam mit 4 Leuten. Um 12 mußten dann 6 Arbeiter den Helikopterlandeplatz am Fluß noch etwas herrichten. Er ist seit unseren Verletztentransporten im Oktober nicht mehr benutzt worden.
Also rundherum große Erwartung. der Deputy Chairman war schon in Balakot gewesen und sollte nun zu uns unterwegs sein. Halb 2 zogen dann alle überaschend ab. Gut das noch ein Soldat vorbei kam und uns sagte das der Besuch kurzfristig abgesagt wurde.
Warum auch immer. Ein Grund kann ja sein, dass uns heute wieder nach langer Zeit 2 Nachbeben erwischten. Das erste war schon ganz schön heftig. Keine Schäden, aber schon komisch nach so langer Zeit.
Die Schüler der High School rannten aus der Ruine. Es ist sowieso eine Unverantwortlichkeit seitens der Lehrer in diesen halb eingestürzten Bruchbuden zu unterrichten, selbst wenn momentan nichts anderes verfügbar ist. Es ist wirklich absolut lebensgefährlich. Aber mehr als reden können wir nicht.
Auf der Baustelle ist auch wieder viel geworden. Das Dach ist jetzt dicht. Morgen fährt Amir nach Mansera, den Marmor kaufen und wir rüsten hier so langsam zum Endspurt. Hoffentlich schaffen wir alles.
Jens Sommerfeldt

10.9.2006

Bei uns alles im Lot. Hat heute abend seit Tagen mal wieder geregnet. Amir ist aus Mansera noch nicht zurück. Wer weiß ob er heut noch kommt? Wir haben jetzt aus unseren Arbeitern einige Gruppen zusammengestellt. Das Tischlerteam hat voll mit den Türen und Fenstern zu tun. So lernen Rene und ich noch ein paar andere Arbeiter an, Decken abzuhängen und Holzverkleidung anzubringen.
Ab übermorgen müssen sie mal 3 Tage ohne uns auskommen. Rene muß heim und ich nach Rawalpindi um noch Material und Inneneinrichtung zu kaufen.
Wir hoffen dass Kerstin heute gut nach Hause kommt. Annette will hier morgen Abend wieder aufschlagen.
Jens Sommerfeldt

11.9.2006 Abschied von Rene
Rene Schriever

Nun ist es mittlerweile doch so weit und ich muß heute meine "Koffer" packen. Schon in den letzten Tagen machte sich so ein seltsames Gefühl der Besinnung breit und ich mochte bis jetzt noch gar nicht recht an meinen Abschied von hier denken. Es war eine schöne, erlebnisreiche Zeit mit vielen "Für" aber auch einigen "Wider", wenn man es am Ende mal objektiv betrachten möchte.
So viele Erlebnisse, Begegnungen und vor allem Erfahrungen die mir zu Teil wurden, in einem bis dato für mich noch nie erlebten Maße. Das war sehr gut so, um wieder die wahren Werte einer Gesellschaft in seiner Ursprungsform neu kennen zu lernen. Im Gegenzug zum fast nur vom Materialismus geprägten Weltbild in Deutschland.
Natürlich schreitet der Fortschritt geballt und unaufhaltsam auch in dieser so schwer zugänglichen Gegend voran. Zum Teil ist das gut so, doch anderseits möchte man an die Folgen für die gesellschaftlichen Strukturen, an die Traditionen und das Leben der Menschen nicht denken, wenn es zu schnell vor sich geht. Ein Wandel ist notwendig das steht außer Frage, doch die Menschen müssen langsam in diese, das ganze Leben verändernde Entwicklung hinein wachsen.
Annete und ReneVor dem großen Beben im Oktober war hier ein in sich geschlossenes, fast "autonom" anmutendes System, welches nicht groß nach außen trat, aber Fremden auch kaum Eintritt gewährte. Ein Leben, welches man mit seiner eigenen Weltanschauung manchmal nicht begreifen kann, doch toleriert habe ich es von Anfang an.
Ich habe viel über und von den Menschen gelernt. Die alltäglichen Probleme und wie nah doch Leben und Tod beieinander liegen kann war mir vor meinem Aufenthalt in Sakagah schon lange nicht mehr so bewußt. Ob es Naturkatastrophen, Krankheiten oder nur das harte Leben hier in dieser Gegend ist. Doch nur für einen Außenstehenden mutet das so an. Für die Menschen es zur Normalität des eigenen Daseins geworden und viele Dinge, die in Deutschland uns als unüberwindbar scheinen, werden hier mit Gelassenheit bestritten und gemeistert. Und immer diese Gastfreundschaft und Herzlichkeit... Das Gefühl, was ich dabei hatte war für mich jedesmal von großer Bedeutung.
So möchte ich mich auf diesem Wege, vor allem bei meiner Familie bedanken, die mir die Teilnahme an diesen großartigen Projekt ermöglichte, mir zu Hause den Rücken frei gehalten und viele Probleme auf sich geladen hat, so daß ich mit freien Kopf und Tatendrang hier her kommen konnte! Auch danke ich dem Alpinclub für das Vertrauen in meine Fähigkeiten, welches sie mir geschenkt haben. Wir waren jederzeit eine gute Truppe und das machte die Arbeit und das Leben fern ab der Heimat mehr als zum Erlebnis. Heute abend wollen wir uns noch ein bißchen am Feuer zusammen setzen und noch einmal die verbleibenden Stunden genießen. Auch wenn es mir sehr schwer fällt Abschied zu nehmen, ich muß nun wieder in mein "normales Leben" zurück kehren.
Rene Schriever

Annette ist am Abend wieder gut in Sakargah angekommen. Mit ihrem Fahrzeug wird Rene dann gleich morgen früh zurück nach Islamabad fahren. Der schöne Abend am Lagerfeuer wurde dann leider durch einen mächtigen Gewittersturm vorzeitig beendet.

Kerstin Haym ist wieder gut in Dresden angekommen - den Floh hat sie mitgebracht...

12.9.2006 Im Camp wird es ruhiger

Nun bin ich nur noch mit Annette hier. Rene hat uns heut morgen verlassen. Leider. Er hat ein großen Job gemacht. Es flossen Tränen und die Verabschiedung von den Arbeitern war echt rührend.
Alles genau in dem Moment, wo es hier nun etwas hektisch wird. So viele Aufgaben und nur so wenig Zeit. Da dieses Druckgefühl den Pakistanis völlig fremd zu sein scheint, muß ich durch gute Planung und Kontrolle sehen, daß wir unsere Ziele erreichen.
Leider kommen jetzt auch noch erneute Materialprobleme hinzu. Die in Besham bestellten Waschbecken kommen nicht, das Kabel reicht nicht und die von Rene entwickelten Abhänger für die Decke werden auch nicht geliefert. Ich hab vor allem im Moment nicht die Zeit selber nach Besham zu fahren. Irgendwie bekommen wir das aber in den Griff.
Die Monsun Zeit geht nun Zuende. Gestern Abend, nach dem Verabschiedungslagerfeuer für Rene, kam ein mächtiger Sturm auf. 12 Leute hielten die Zeltbahnen fest. Trotzdem rissen einige und wir hatten noch einige Zeit zu tun, alles wieder sicher zu machen. So wurde es wieder Mitternacht aber der ganz große Regen blieb aus.
Nach einem heißen Tag gewitterte es auch heute ein wenig, aber kein Tropfen. Bei unseren Leuten reift langsam die 2. Ernte und am 25. Sept. beginnt der Fastenmonat Ramadan. Wir haben noch so einiges vor uns.
Jens Sommerfeldt

13.-14.9.2006 Noch ein Woche
Schule

Das ist nicht viel Zeit und wenn ich abends auf unsere Schule schaue, denke ich, ist das zu schaffen? Wir schaffen das!
Unsere Arbeiter sind auch gern bereit bezahlte Überstunden zu machen. Das Geld ist ihnen momentan sehr wichtig, den in wenigen Tagen beginnt der Fastenmonat Ramadan. Eine harte Zeit für jeden Moslem. Wenn es weiter so warm bleibt - wir haben Mittags immer noch über 30 Grad - ist es eine fragliche Angelegenheit den ganzen Tag nichts zu trinken. Das Essen und Trinken wird ja nach Sonnenuntergang nachgeholt und das nicht zu knapp - die Lebensmittelpreise steigen in dieser Zeit deutlich an, und da kommt unseren Arbeitern natürlich jede zusätzlich verdiente Rupie sehr gelegen. Aber zurück zur Baustelle:
Morgen machen wir den ersten Pinselstrich. Unter den Arbeitern ist ein Malermeister - ein glücklicher Zufall. Die Marmorplatten für den Fußboden sind nun auch schon fast alle angeliefert und zur Baustelle hochgeschleppt worden. Das Verlegen wird dann die letzte Arbeit sein. Ich kann mir selbst noch gar nicht recht vorstellen, wie das alles fertig aussehen wird. In einer Woche sind wir alle klüger.
Jens Sommerfeldt

17.9.2006 - Hoher Besuch
Gen. Nadeen

Heute ist, seit Okt. vergangenen Jahres, das erste mal wieder ein Hubschrauber in Sakargah gelandet. Der 2. Mann der ERRA, Generalleutnant Nadeen, hat unserer Schule einen Besuch abgestattet. Diesmal kamen die Soldaten erst gegen 11 und informieren uns über den bevorstehenden Besuch. Der Heli-Landplatz wurde überprüft, Wachen aufgestellt und wie hier üblich, gewartet.
Da wir diesmal auch kaum jemanden informiert hatten, lief die Arbeit normal weiter und wir haben ja noch eine Menge zu tun. Kurz nach 14 Uhr schwebte dann der Heli ein und landete sicher auf der wirklich kleinen Fläche. Wir erwarteten unsere Gäste oben. Die ersten Worte vom General waren "Oh, my Good" er war sichtlich erschöpft von dem steilen Aufstieg zur Baustelle.
Zwischenzeitlich hatten sich viele Einheimische angesammelt. Doch eine Schar von Sicherheitsleuten bahnte uns einen Weg zur Schule. Dort begrüßte ihn der Nazim (Bürgermeister) von Sakargah. Eigentlich hab ich ihn das erste Mal hier an der Schule gesehen. Er wohnt nicht einmal hier. Aber ein Bericht über die hiesigen Strukturen wäre Abendfüllend und mit Sicherheit erst mal unverständlich.
Annete streicht VerandaAuf jeden Fall diskutierten die Lokals und der ERRA-Mann erst einmal 20 min über Assessment, Rekonstruktion und vor allem Geld. Danach gingen wir in einen Klassenraum und Annette hatte Gelegenheit den Generalleutnant 20 min zu interviewen. Das sogar mit Diktiergerät.
Er zollte uns Anerkennung und lobte den schönen neuen Bau. Aber das war viel Smalltalk und als er fragte wieviel wir ungefähr bezahlen und ob wir noch weitere Schulen bauen können, merkte er das wir eigentlich nur ein ganz kleiner Verein sind. Er sagte, dass er unsere Bilder, die wir der ERRA übersandt haben alle gesehen hat und lobte die Aktion vom Alpinclub.
Zur Eröffnung hat er leider keine Zeit und statte uns deswegen diesen Kurzbesuch ab. Er wird aber den anderen Mitarbeitern empfehlen zu Eröffnung zu kommen. Sehr schnell verschwand er wieder im Hubschrauber und nach ca. 1h war alles Geschichte.
Es war mal ganz interessant, aber nicht wirklich wichtig. Wir bauen die Schule für die Kinder von Sakargah und nicht für die ERRA.
Kurzer Stand zu den Bauarbeiten. Außenwände fast fertig gestrichen. Alle Fenster und Türen drin und morgen kommen dann die Marmorplatten auf den Fußboden.
Jens Sommerfeldt

19.9.2006
Maler

Der vorletzte Tag, bevor wir die Schule den Kindern übergeben werden, hat wieder einige Überraschungen gebracht. Das Holz für das Geländer ist mal wieder nicht von der besten Qualität. Aber das ist ja schon normal. Die Maler sind sehr fleißig aber niemand hat damit kalkuliert, daß hier alles 3 mal gestrichen werden muß, bevor es richtig deckt. Sie müssen also morgen noch mal richtig ran. Heut waren es auch schon 12 Arbeitsstunden.
Das ungehobelte Holz an den Stützen frißt die Farbe förmlich auf. Annette hat schon wieder alles verbraucht. Heut Abend kommt aber noch Nachschub. Die Verkleidung der Seiten unter dem Dach macht nun doch mehr Probleme als gedacht. Mit dem Holz können wir es so nicht verkleiden. Das ist nicht dicht zu bekommen. Nun haben wir alles erst mal mit verzinkten Blech wettersicher gemacht. Da kann jetzt das Holz oben drauf. Das werden wir aber nicht mehr ganz schaffen, ist aber für die Nutzung nicht ganz so wichtig.
EinräumenWir wollen unbedingt, daß die Kinder die Schule endlich nutzen können. Einige Arbeiten werden dann während des Schulbetriebes fertiggestellt. Auch das alte Mobiliar muß erstmal genutzt werden. Die neuen Möbel müssen angefertigt werden und das dauert halt auch länger als zugesichert. Wenn morgen alles klappt, können wir aber am Donnerstag die Schule zu Nutzung übergeben.
Das Gebäude mit dem Lehrerzimmer wird noch ca. 3 Wochen in Anspruch nehmen. Aber das haben unsere Arbeiter ja jetzt alles gelernt und werden es allein zu Ende bringen.
Für mich geht die Zeit in Sakargah jetzt auch langsam zu Ende. Auch der Espresso ist heut alle geworden und hier nicht zu beschaffen. Annette wird noch ca. 10 Tage hier sein und dann übergeben wir Amir die Restarbeiten. Den letzten Rest schaffen sie auch ohne uns.
Leider hat der Wiederaufbau der anderen Gebäude hier in Sakargah noch nicht wirklich begonnen und der Winter ist nicht mehr weit. Amir wird weiter mit uns in Verbindung bleiben, damit wir wissen was in unserem Dorf und in der Schule vorgeht.
Jens Sommerfeldt

21.9.2006 - Schuleinweihung
Einweihung - Klicken zum Vergroessern

Heute Vormittag war es nun endlich so weit - die Schule konnte an die Schüler und Lehrer von Sakargah übergeben werden.
Anders als bei der Grundsteinlegung waren heute nur wenige Gäste von außerhalb gekommen. Aber das war vielleicht auch gut so, denn so konnten wir gemeinsam mit all unseren fleißigen Arbeitern feiern, eine Sache, die bei der Grundsteinlegung aufgrund zahlreicher angereister Behördenvertreter leider viel zu kurz gekommen ist.
Nach einigen offiziellen Worten von Jens zur Einweihung bedankte sich der Education District Officer ganz herzlich für die von uns geleistete Arbeit und unsere Ausdauer. Die Schule wurde auf den Namen Malgari-School getauft. Das ist Paschtu und bedeutet Freundschaftsschule.
Danach wurde noch ein Foto von all unseren Arbeitern vor der Schule gemacht und dann durfen die Schüler ins Gebäude hinein.
Erste StundeSie waren alle gekommen und sie stahlten über das ganze Gesicht, als sie von dem neuen Schulgebäude Besitz ergreifen konnten.
Die erste Unterrichtsstunde hat dann übrigens Annette gehalten. Da sie ja Urdu - die pakistanische Amtssprache - spricht, hat das auch prima geklappt. Zur großen Freude der Kinder hatte sie etwas vorbereitet, was es in Sakargah zuvor noch nie gegeben hatte: eine Zeichenstunde mit Wasserfarben und Wachsstiften.
Zu Mittag gab es dann noch ein festliches Essen für alle: Chicken Biryani - Huhn mit Reis.

Wenn wir in früheren Meldungen, basierend auf Aussagen der ERRA, erwähnt hatten, daß unsere Schule in Sakargah das am weitesten fortgeschrittene Schulaufbauprojekt in ganz Pakistan ist, so stimmt das nun doch nicht mehr ganz. Die deutsche Hilfsorganisation Grünhelme hat ihre wiedererrichtete Schule in Bhutti in Kaschmir - eine Leichtbaukonstruktion aus Holz und Wellblech - bereits kurz vor uns am 14.9. eröffnen können.
Darüber, daß wir nun doch nicht die ersten sind, sind wir aber keineswegs traurig. Im Gegenteil, wir freuen uns, daß es auch woanders voran geht, denn es gibt überall noch verdammt viel zu tun...

25.9.2006

Jens ist spätabends wieder in der Heimat eingetroffen. Die Rückfahrt war anstrengend, und auch den großen Stromausfall in Pakistan konnte er mit erleben.
Annette bleibt noch für ein paar Tage in Sakargah und wird ein waches Auge auf das Geschehen werfen, aber sie ist natürlich als Etnologin keine Baufachkraft, weshalb Amir zeitweise die Leitung für die noch zu Erledigenden kleinen Restarbeiten am Bürogebäude übernommen hat.
Er und die ausführenden Arbeiter sind ja von uns umfangreich angelernt worden. Da die Bauweise identisch zu den Klassenräumen ist, haben sie ja auch alle Tätigkeiten schon einmal genau so ausgeführt, so daß es eigentlich keinerlei Probleme geben sollte.

1.10.2006
Annette Töpfer

Die Restarbeiten gehen fleißig weiter. Für die Moslems hat inzwischen der Fastenmonat Ramadan begonnen. Das bedeutet, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang wird nichts gegessen (und auch nicht geraucht!). Abends folgt dann meist ein recht üppiges, langandauerndes und festliches Essen und früh muß der Moslem natürlich zeitig aufstehen, um noch vor dem Sonnenaufgang zu speisen.
Ganz klar das darunter auch die Leistungsfähigkeit der Arbeiter leidet. Besonders am Nachmittag passiert dann nicht mehr viel. So haben wir die tägliche Arbeitszeit auf 6 Stunden reduziert. Auch sind für die restlichen Dinge (Bürogebäude, Außengelände) nicht mehr so viele Arbeiter notwendig.
Annette überwacht den weiteren Fortschritt der Arbeiten. Gesundheitlich fühlt sie sich zur Zeit nicht so gut. Da hier weit und breit kein Arzt vorhanden ist, versucht Kerstin ihr per Ferndiagnose zu helfen. Wir drücken die Daumen für baldige Besserung.

5.10.2006
Jens Sommerfeldt

Jens hat sich wieder auf den Weg nach Pakistan gemacht und wird morgen dort eintreffen. Er wird Annette ablösen, die am 9.10. nach zweimonatigem Aufenthalt zurück in die Heimat fliegt und dort von Familie und Freunden schon sehnsüchtig erwartet wird.
Unter Jens' Regie werden dann die letzten Arbeiten an Bau und Außengelände abgeschlossen werden. Seine wichtigste Aufgabe ist jedoch die Endabrechnung aller Kosten, die Auszahlung aller restlichen Löhne und die Schaffung eines funktionierenden Informationspfades von Sakargah nach Sachsen, damit wir auch in Zukunft in Kontakt bleiben können. Das ist gar nicht so einfach: ein Telefon gibt es in Sakargah nicht und auch der nächste Briefkasten ist mehr als eine Autostunde entfernt.

10.10.2006 Wieder in meiner 2.Heimat

Ja, ich bin nach sehr kurzem Aufenthalt in Deutschland wieder in Sakargah. Es war nicht so geplant! Annette war krank und mußte zurück. Ich hatte eine halbe Stunde Zeit, mich zu entscheiden, sonst hätte ich keinen Flug mehr buchen können.
Also habe ich mich entschieden und bin jetzt wieder hier, als wäre ich gar nicht weg gewesen.
Annette geht es wieder besser, sie ist inzwischen wieder gut in Deutschland gelandet. Sie war hier Mittelsmann oder besser -frau zwischen Hilfsorganisationen und den Einheimischen und hat auch immer versucht unseren Sakargahnern bei der Bürokratie im Rekonstruktionsprozeß zu helfen. Nicht zuletzt haben einige unserer Arbeiter bei ihr Englisch gelernt. Sie hätte Lehrerin werden sollen, aber ihr Ethnologiestudium ist wohl schon das richtige. Jedenfalls haben wir viel gelernt, beim Verstehen der Leute hier und viele Vorurteile abgebaut.
Sie war eine große Hilfe für uns. Danke, Annette und viel Erfolg bei der Magisterarbeit.
Ich hab jetzt auch wieder viel zu tun. Das Office wird fertiggestellt und kleine Mängel die sich erst im Schulbetrieb zeigen, beseitigt. Eine nicht gerade leichte Aufgabe ist die Gesamtabrechnung unserer Aktion. Auch ein detaillierter Abschlußbericht für unsere Spender ist in Arbeit. Also hab ich diesmal ein kleines Büro in meinem Zelt eingerichtet.
Der einzige negative Punkt ist die Zunahme der Nachbeben. Seit ca. 3 Wochen ist der Boden unter unsern Füßen wieder aktiver geworden. Letzte Nacht wurde ich auch wieder etwas durchgeschüttelt. An diesem Tag waren es 3 Nachbeben. Ich kann nur hoffen, dass das wieder vorbei geht und nur ein Zeichen für die Leute ist, keine unsicheren Steinhütten mehr zu bauen. Also Daumen drücken.
Jens Sommerfeldt

10.10.2006 Nachbeben
Blume im Schutt

Wie schon in den letzten Tagen gab es heute wieder einige Nachbeben mit Stärken kleiner 4. Dabei sind die letzten Reste des ehemaligen Med-Punktes nun endgültig eingestürzt. Fast hätte es Verletzte gegeben, als einige größere Brocken direkt auf den Weg stürzten.
Darum werden wir morgen damit beginnen, die gefährlichsten der vielen noch vorhandenen Ruinen abzureißen, damit nicht noch ein weiteres Unglück geschieht.
Jens Sommerfeldt

12.10.2006

Hier tobt wieder mal ein mächtiges Gewitter und bis jetzt hat das Camp gehalten, aber langsam wirds unangenehm. Der Strom ist auch laufend weg. Es ist wie fast immer hier, wenn es mal losgeht dann richtig. Hagelkörner so groß wie Tischtennisbälle und richtig Wind dazu. Aber alles hat halbwegs gehalten. Wir mussten nur immer wieder die Wasserbeulen aus den Zeltdächern drücken. Paul und Karim haben es gut in ihrem neuen Zelt, aber meins ist so ein alter Schinken, alle Nähte undicht, aber was soll man machen.
So langsam wird es auch kühler hier, man merkt es wird Herbst. So habe ich heute unseren Karim erst einmal nach Besham geschickt, daß er sich ein paar warme Klamotten kaufen soll. Seit der Flut in unserem alten Camp hat er fast nichts mehr außer den Sachen, die er auf dem Leib trägt.
Jens Sommerfeldt

16.10.2006 - Unser Wasserkraftwerk
Kraftwerk

Der Office-Bau geht langsam aber stetig voran. Im Fastenmonat Ramadan geht eben alles etwas langsamer und nach 12 ist eigentlich ganz Ruhe. Also habe ich heut noch mal eine Visite bei unserem Wasserkraftwerk gemacht. Kurz zur Geschichte: Einer unserer Spender - Roland Brandner aus Franken - hatte einen größeren Betrag gespendet und wollte nach Rücksprache mit uns davon gern ein eigenständiges Projekt realisiert wissen.
Auf Grund unserer Erfahrungen, schlugen wir den Kauf eines neuen und leistungsstärkeren Generators für das beim Erdbeben stark beschädigte Wasserkraftwerk vor. Wir hatten schon bei unserer Hilfsaktion im Dezember 2005 den Wiederaufbau des Kraftwerkes finanziert. Der alte Generator hatte den Einsturz des Gebäudes halbwegs überlebt und so konnte damit dann erst einmal wieder Strom erzeugt werden. Aber schon seit März warten wir eigentlich täglich darauf, daß der Generator auseinanderfallen würde...
So wurde durch uns in Rawalpindi ein neuer 20kW Drehstromgenerator besorgt. Rasta Mohammed, der Universalhandwerker im Dorf (Schmied, Zimmermann, Tischler und Elektriker) war hocherfreut über den neuen Generator und schlug vor doch gleich ein neues Kraftwerk zu bauen. Das alte Fallrohr ist an der Leistungsgrenze, richtig flutsicher ist der alte Platz nicht und noch dazu mußte jedes mal wenn jemand Mehl mahlen wollte die Stromerzeugung gestoppt und der Treibriemen vom Generator auf das Mahlwerk umgelegt werden.
Rasta hatte auch schon einen Platz parat. Ich ließ mir die zu erwartenden Baukosten kalkulieren. Es war nun doch mehr als die Spende aus Franken, aber da schon abzusehen war, daß wir mit den Mitteln für den Schulbau gut haushalten und noch einiges übrig bleiben würde, sagten wir zu.
Rasta wollte auch gleich beginnen. Es wurde vereinbart, dass er von uns nur Material und Werkzeug erhält. Die Arbeitsleistungen müssen die Leute aus Sakargah selbst erbringen.
KanalEs war noch nicht viel Zeit verstrichen, als ich die erste Visite machte. Auf einmal stand ein ca. 8m hoher Betonturm am Berghang. Ein gewaltiges Bild für diese Gegend. Der Turm war gut gebaut. Einige kleine Sachen mußte ich noch verbessern lassen aber sonst war es ok. Rasta kaufte nun in Swat das neue Fallrohr und die Turbine. Eine Woche später war es schon montiert und bald wird das erste Wasser durch das Rohr fließen. Die Fallstrecke beträgt nun fast 30m. Rasta ist wirklich ein exzellenter Handwerker und er hat Ideen. Wir sind echt beeindruckt von dem Bau.
Das größte Problem ist der Wasserkanal, der das Wasser von weiter oben am steilen Berghang entlangführt, um die 30m Höhendifferenz zu realisieren. Der Kanal ist ziemlich lang und es besteht immer die Gefahr das Steine und Geröll den Kanal verstopfen. Vor allem in der Monsunzeit. Aber bei Rasta sehen wir das Kraftwerk in guten Händen, da wird auch die Wartung von Kanal und Anlage gewährleistet sein. Die Kosten für die Wartung müssen dann aus den Einnahmen aus dem Strom bestritten werden.
Da der Aufwand für Stromzähler gemessen an den 1-2 Glühlampen pro Haushalt natürlich in keinem Verhältnis steht, haben wir gemeinsam mit der Dorfbevölkerung einen Pauschalpreis von monatlich 40 Rupien pro Haushalt vereinbart. Das sind 57 Cent oder 20% eines Tagelohnes für die Hilfsarbeiter auf unserer Schulbaustelle. Das sollte sich hier jeder leisten können und es kommt genügend Geld für Wartung und Instandhaltung zusammen.
Es wird nicht mehr lange dauern und unser Kraftwerk kann eingeweiht werden. Aber was heißt eigentlich unser Kraftwerk? Eigentlich haben das die Leute aus Sakargah ja selber gemacht. Wir haben nur das Material, Werkzeuge und ein paar Hinweise beigesteuert. Aber nur so kann es funktionieren: Hilfe zur Selbsthilfe ist der richtige Weg in unseren Augen.
Jens Sommerfeldt

18.10. Ein "ganz normaler" Schultag

Ich verbringe jetzt viel Zeit in der Schule. Es ist ein wirklich gutes Gefühl, die lauten Kinderstimmen in den Klassenräumen zu hören. Das rytmische brüllen und singen und die Berge von Kinderschuhen in den Korridoren. Das Gebäude lebt jetzt. Wenn ich mal in die Klassenräume schaue lächeln die Kinder, springen auf und brüllen nach dem vorgegebenen Takt vom Lehrer: "Thank you Sir" und "Very good Alpinclub, Very good German people". Mir ist das schon peinlich und ich beende das dann mit einem lautem "Bass" (genug).
Heute haben wir die Schultaschen verteilt und außerdem alle Buntstifte, die unsere Teams im Laufe der Zeit mitgebracht hatten. Die freudigen Kinderaugen, für so einfache Sachen.
Mir läuft schon wieder ein Schauer über den Rücken. Aber das sind wirklich Momente der Motivation, die man schon manchmal verlieren kann. Es ist wirklich sehr schade, dass ich der einzig von unserem großen Team bin, der das erleben darf.
Ich will euch allen danken, im Namen der im Moment 140 Kinder der Schule. Diese Kinderaugen sagen uns, wir haben das richtige getan, auch wenn es manchmal schwer und langwierig war. Es hat sich gelohnt. Danke den vielen Spendern in ganz Deutschland. Ihr habt alle bei einer ganz großen wichtigen Sache geholfen. Ihr könnt ganz stolz sein. Wir alle haben für einige Kinder in Pakistan die Zukunft ein wenig angenehmer und lebenswerter gemacht, nach diesem schockierendem Erlebnis vor einem Jahr.
Doch das kann nur ein Anfang sein. Nach diesen Gefühlen des Glücks, sehe ich aber auch die viele Not in unserem Dorf. Es hat sich nicht wirklich viel getan und der Winter steht vor der Tür.
Diese Menschen brauchen auch weiterhin Hilfe und Unterstützung. Wir haben ein kleines Stück geschaft. Wir werden sehen ob und wie es weiter geht. Die Mittel des Alpinclubs sind nahezu verbraucht. Aber Hilfsgelder sind genug im Land. Warum nicht im nächsten Jahr die gesammelten Erfahrungen nutzen...
Ich habe auch noch keinen richtigen Plan, ich weiß nur, ich kann nich einfach so weggehen und diese fast 7 Monate in Pakistan einfach vergessen. Es kann nicht angehen, das der UNICEF Chef von Batagram, stolz erzählt, dass sein Zelt(4x8m mit einem Schreibtisch, einem Stuhl und einer Klimaanlage) 10.000$ gekostet hat und einige unserer Dorfbewohner werden vielleicht in diesem Winter erfrieren. Ihre Zelte sind 1 Jahr alt, meist von mieser Qualität und die selbstgebauten Behausungen sind auch nicht viel besser. Ein wirklich neues und erdbebensicheres Haus hat hier niemand. Nur unsere Schule mit ihren leuchtenden Farben zeigt weithin, dass es möglich ist.
Jens Sommerfeldt

19.10.2006 Gewitter

Wir hatten nach 2 Uhr wieder mal einen richtigen Gewittersturm, so wie beim letzten Mal. Langsam regt es mich auf. Kann es nicht einfach mal normal regnen!
Wir hatten heute das Officegebäude verputzt und waren gerade fertig und stolz auf unser Werk, als der Gewittersturm begann. Tausende große Hagelkörner haben dann richtige Löcher aus dem frischen Putz herausgeschlagen - so ein Mist. Nun müssen wir gleich morgen früh schauen, wie wir das am besten wieder hinkriegen, ohne alles nochmal machen zu müssen. Jetzt in der Dunkelheit können wir da nicht viel tun.
Inzwischen ist es wieder kalt geworden. Am Tag haben wir ja noch über 25 Grad aber kaum ist die Sonne weg, wird es hier im engen Tal recht schnell kalt. Bloß gut, daß ich meine Daunenjacke hier hab.
Der Herbst ist kurz hier in den Bergen von Pakistan. Auf den langen heißen Sommer folgt dann recht schnell ein kalter Winter - ich mag gar nicht dran denken.
Jens Sommerfeldt

22.10.2006

Die letzten 3 Wochen waren für mich eigentlich nicht so geplant, aber in dieser Zeit hatte ich das Glück, sehr schöne Augenblicke hier zu erleben. Die Kinder in unserer Schule, die Fertigstellung des Offices und damit den Abschluß unserer Aktion und zum Schluß noch besonders eindrucksvoll: die erste deutsche Touristengruppe in Sakargah.
Diese letzte Erlebnis vor einigen Tagen war für mich schon sehr beeindruckend. Ich denke, der Gruppe ist es auch so gegangen. Durch eine Flugplanänderung hatte die Reisegruppe des Dresdner Erlebnisreisebüros Diamir einen freien Tag zur Verfügung, den Sie für einen Besuch in Sakargah nutzte.
Für mich war es kaum zu glauben: 8 Deutsche Touristen fahren im Pick-Up natürlich stehend auf der Ladefläche durch das enge Allai-Tal nach Sakargah. Vor fast genau einem Jahr, am 18.10.2005 hatten Christian und ich zu Fuß über die zerstörten Pisten diesen Ort erreicht und waren damit die ersten Europäer überhaupt gewesen, die jemals Sakargah besucht hatten. Was in diesem einen Jahr alles passiert ist...
In der Schule waren alle begeistert von dem Bauwerk in dieser abgelegenen Gegend. Aber als ein Touristenehepaar aus Radebeul ein Plakat vom Radebeuler Lößnitzgymnasium an der Wand sah, waren sie ganz aus dem Häuschen.
Die Radebeuler Schüler hatten sich sehr für unsere Hilfsaktion interessiert und einiges an Spenden gesammelt. Wir hatten sie (und weitere Schulen die uns unterstützt hatten) daraufhin gebeten sich mit einem Plakat den Schülern von Sakargah vorzustellen, damit diese auch einen sichtbaren Eindruck davon bekommen, woher das Geld für ihre neue Schule gekommen ist. Und nun hat das Plakat auch bei den ersten Besuchern einen starken Eindruck hinterlassen. Die beiden wollen jetzt den Radebeuler Schülern vom Besuch der Schule berichten.
Rasta MohammedZum Abschluß gingen wir alle auf eine Tasse Tee in das Haus eines Dorfbewohners. Allerdings ist das nur eine Holzhütte aus alten Brettern, die Rasta Mohammed nach dem Erdbeben für seine Familie gebaut hat. Aber das tut der Gastfreundschaft der Paschtunen keinen Abbruch und es ist leider das reale Leben in Sakargah.
Wobei nur die wenigsten wieder ein behelfsmäßiges Haus haben. Die meisten leben nach wie vor in Zelten. Auch wenn der Besuch nur 2 h gedauert hat, ist dieses Experiment voll geglückt. Vielleicht gibt es ja irgendwann mal eine Wiederholung.
Meine Zeit in Pakistan neigt sich nun dem Ende zu. Morgen ist hier noch einiges zu organisieren und dann hab ich noch 2 Tage in Islamabad mit der Abrechnung zu tun. Natürlich haben wir auch eine regelmäßige Kontrolle der Schule und Situationsvisite organisiert. Wir und die Dorfbewohner wollen den Kontakt nicht abbrechen lassen. Hoffen wir alle auf einen milden Winter und wir werden sehen, was im nächsten Jahr wird. Auf jeden Fall werde ich noch einen großen Abschlußbericht erarbeiten, den dann alle Interessenten erhalten bzw. auf unserer Internetseite lesen können.
Auch für mich persönlich gibt es einiges aufzuarbeiten. Fast 7 Monate in Pakistan haben mich und mein gesamtes Weltbild doch um einiges verändert. Aber das braucht zu allerst einmal Zeit.
Jens Sommerfeldt

27.10.2006
Jens ist wieder gut in Deutschland gelandet. Damit ist die Hilfsaktion erst einmal abgeschlossen.


Hier zum Abschluß einige Zahlen:
Dauer und Kosten
Gesamtdauer des Hilfseinsatzes 2006: 228 Tage (13.3- bis 27.10.)
Bauzeit von Grundsteinlegung bis Eröffnung: 120 Tage (25.5. bis 21.9)
Baukosten: 60.000 EUR (ohne Flüge für deutsche Helfer), davon allein 25% nur Transportkosten.
Material, Arbeitskräfte
78t Zement mußten von Besham über halsbrecherische Pisten mit Jeeps bis nach Sakargah transportiert und von dort noch 500m und 80 Höhenmeter per Hand bis zur Baustelle geschleppt werden.
500t Kies wurden per Hand aus dem Bach geschürft und zur Baustelle hochgeschleppt.
Teilweise arbeiteten bis zu 25 einheimische Arbeitskräfte auf der Baustelle. Dazu kamen noch weitere Arbeite für Transportleistungen.


Fragen zu Hilfsaktion beantworten wir gern unter pakistanhilfe@gmx.de. Angaben zum Spendenkonto finden Sie hier