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Expedition zum Muztagh-Ata (7546m)

28. Juli - 03. September 2002

Expeditionsteilnehmer

Carola Beuther, Madlen Kind, Steffen Beuther, Udo Biebrach,
Gottfried Knorre, Steffen Knorre, Dr. Jürgen Schürer, Markus Walter

Mustagh Ata


Ausführlicher Expeditionsbericht von Markus Walter



Expeditionsstart

Unmittelbar im Anschluß an die Batura-Muztagh-Expedition blieb ich noch für ein paar Tage in Islamabad, um die Rücksendung des Expeditionsgepäcks sowie weitere organisatorische Dinge zu erledigen. Gleichzeitig bereitete ich mich dabei jedoch auch schon auf die nächste Unternehmung vor.
Als Expeditionsleiter würde ich die vom Dresdner Rreiseveranstalter DIAMIR organisierte Muztagh Ata Expedition 2002 an den 7546m hohen Eisriesen in der chinesischen Provinz Xinjiang führen. Obwohl rein klettertechnisch relativ unkompliziert, so war dies doch schon von der reinen Höhe her erneut eine große Herausforderung. Und auch wenn ich in den vergangenen Jahren doch relativ problemlos auch wesentlich größere Höhen erklommen hatte, hieß dies noch lange nicht, das man jedes Mal gleichermaßen gut mit der Höhe zurecht kommen würde. Eine entsprechende physische und psychische Vorbereitung sowie besonnenes Vorgehen bei der Akklimatisation waren in jedem Fall unerläßlich. Und einen Berg, dem gerade einmal 454 Meter an der magischen 8000m-Marke fehlen, sollte man auch auf keinen Fall unterschätzen! In puncto Akklimatisation hatte ich gegenüber den anderen Expeditionsteilnehmern zumindest den großen Vorteil, durch die Wochen am Batura bereits sehr gut an große Höhen gewöhnt zu sein. Wenn das Wetter allerdings ebenso miserabel wie am Batura sein würde, könnte sich ein solcher Vorteil zwar schnell wieder relativieren, doch irgendwann mußte es ja auch wieder gut werden, und so ging ich voller Hoffnung und Optimismus an die Erledigung der letzten Vorbereitungen in Islamabad.
Ursprünglich wollte von der Batura-Mannschaft auch noch Günter Jung mit mir zusammen zum Muztagh Ata fahren, doch eine üble Zerrung im Schulterbereich, die er sich beim Lesen im Batura-Basislager (!) geholt hatte, ließ es ihm eher als ratsam erscheinen, doch nach Hause zurückzukehren, zumal bereits unzählige Therapieversuche (von einfachen Massagen über einen pakistanischen Wunderheiler bis hin zum Besuch mehrerer wirklich guter Ärzte in Islamabad) nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatten.
So brachte ich Günter denn am 29. Juli schweren Herzens zum Flughafen und verabschiedete mich von ihm, wobei wir uns gegenseitig viel Glück für die nächsten Wochen wünschten. Schon 2 Stunden später landete die Maschine mit den anderen Expeditionsteilnehmern, die mit mir gemeinsam zum Muztagh Ata fahren würden. Gruppenfoto am Karakol Neben meiner Freundin Madlen (auf die ich mich nach den Wochen am Batura natürlich besonders freute...) waren dies Carola, Gottfried, Jürgen, Udo und 2x Steffen, von denen der eine zur besseren Unterscheidung eigentlich immer nur Knollo genannt wurde. Sie alle stammen aus Bautzen und Umgebung und sind so wie auch ich Mitglieder der Bergwacht Sachsen. Da wir in unterschiedlichen Bereitschaften unseren Bergwachtdienst versehen, haben wir zwar dadurch nicht all zu viel miteinander zu tun, doch hatte ich sehr wohl schon viel von ihren vorangegangenen Unternehmungen gehört, zu denen neben Klassikern wie Aconcagua, Elbrus und Kilimanjaro z.B. auch die Teilnahme von Gottfried und Knollo an der Sächsischen Kongur-Expedition 1992 gehörte. Der Kongur steht unmittelbar neben dem Muztagh Ata und damals wurde für Gottfried und Knollo wohl auch die Idee zu einem Versuch am Muztagh Ata geboren.
Jahre vergingen, doch schließlich faßten Sie anläßlich von Gottfrieds 65. Geburtstag den Beschluß, es zu versuchen. Das Gottfried trotz seines für solche Unternehmungen beachtlichen Alters noch lange nicht zum alten Eisen gehört, sollte sich in den nächsten Wochen noch zeigen...
Zunächst jedoch freute ich mich auf das Wiedersehen mit allen und den Beginn unserer gemeinsamen Expedition.

Für die anderen Teilnehmer hatte die Reise nach Islamabad mit der Bahnfahrt nach Frankfurt und dem Flug von dort via Dubai nach Islamabad bereits am frühen Morgen des 28.Juli begonnen. Nun, reichlich 30 Stunden später, trafen wir also alle zusammen und um keine Zeit zu verlieren, ging's direkt vom Flughafen aus los in Richtung Karakorum Highway, dem fast 1000km entfernten Muztagh Ata entgegen...

Anreise über den Karakorum Highway

29./30.07.2002
Von Islamabad aus führt die Fahrt zunächst einige Kilometer durch flaches Land, ehe man kurz hinter Abottabad das Hügelland erreicht. Immer gebirgiger wird dann die Gegend und die anfangs gut ausgebaute Straße schlängelt sich in unzähligen Serpentinen über eine Paßhöhe, auf deren anderer Seite man wieder hinunter fährt und so in der Nähe des Ortes besham das Industal erreicht. Von nun an geht es viele viele Kilometer und Fahrstunden am Indus entlang, dessen heißes und zunehmend wüstenartig trockenes Tal langsam aber stetig an Höhe gewinnt. Die Straße verläuft oft in abenteuerlich anmutender Höhe am Hang entlang und nimmt jedes noch so kleine Seitental mit. Trotz vieler Brücken und schier unverstellbarem Aufwand beim Straßenbau und zur Wegbegradigung reiht sich eine Kurve an die nächste und man scheint trotz nicht gerade geringer Geschwindigkeit kaum vorwärts zu kommen. Nach Zwischenstops in Chilas, Gilgit und Karimabad ereichen wir am Abend des zweiten tages Sust, den letzten Ort vor der Grenze nach China.

31.07.2002
Nach dem Frühstück erledigten wir die umfangreichen Grenzformalitäten und verluden auf dem Zollhof in Sust unser gesamtes Expeditionsgepäck auf einen klapprigen alten Bus der staatlichen Tourismusorganisation PTDC, die als einzige die Lizenz für den grenzüberschreitenden Transport besitzt. Etwa 10 Uhr ging es dann endlich los. Die Straße in Richtung Grenze führt zunächst durch enge, canyonartige Schluchten und gewinnt dabei stetig an Höhe. Später verläßt man das Tal und in Serpentinen geht es auf die Paßhöhe des berühmten Kunjerab Passes hinauf. Man befindet sich hier im Kunjerab Nationalpark, und obwohl die Fahrt durch das Parkgebiet auf pakistanischer seite gerade mal 2 Stunden dauert und man den Bus ohnehin eigentlich nicht verlassen darf, lassen es sich die Pakistanis nicht nehmen, von jedem Reisenden die obligatorische Nationalparkgebühr zu kassieren.
Entlang der Straße sieht man um diese Jahreszeit unzählige unglaublich fette Murmeltiere, die scheinbar überhaupt keine Scheu haben - zumindest so lange, wie der Bus fährt und keiner Anstalten macht, auszusteigen. Zweieinhalb Stunden nach dem start in Sust erreichten wir schließlich die Paßhöheh. Hier oben, genau 4703m hoch, befindet sich die höchstgelegene Straßengrenze der Welt. Das eigentlich interessante ist neben der unvermeidlichen Grenzkontrolle allerdings die Tatsache, daß sich hier oben auch der Wechsel vom pakistanischen Linksverkehr zum chinesischen Rechtsverkehr vollzieht. Da hier nur höchst selten zwei Fahrzeuge gleichzeitig vorbeikommen, ist dieses Problem ganz unkompliziert durch 2 entsprechende Schilder gelöst, die den Fahrer ermahnen, von nun an jeweils auf der anderen Straßenseite zu fahren. Nachdem wir auf chinesischer Seite alle unser Handgepäck einer strengen Kontrolle unterziehen mußten (mein Walkman entging dabei nur knapp der Konfiszierung, denn die eingelegte Kassette mit den Red Hot Chili Peppers erwies sich bei der amtlichen Hörprobe dann doch nicht als das scheinbar vermutete kapitalistische Propagandamaterial...), konnte es weiter gehen.
Die Landschaft ändert sich auf der anderen seite des Passes schlagartig und durch weite Täler fuhren wir hinunter nach Tashkurgan, der chinesischen Grenzstadt.

In Tashkurgan angekommen, trafen wir verabredungsgemäß unseren chinesischen Guide. Nachdem der sich mit seinem reichlich unaussprechlichen chinesischen Namen vorgestellt hatte, bestand er zum Glück gleich selbst auf dem für uns wesentlich einfacher zu artikulierenden Spitznamen "John" und half uns von nun an bei allem, was uns noch erwartet.

Hier in Tashkurgan wurde nochmals unser gesamtes Gepäck einer äußerst strengen Kontrolle unterzogen, die darin bestand, zunächst nach Flughafen-Manier alles einzeln zu durchleuchten und dann ausgewählte Gepäckstücke nochmals per Hand nachzukontrollieren. Fast hätten wir dabei unser Satellitentelefon und die am berg so wichtigen Funkgeräte eingebüßt, doch die in vielen Expeditionsjahren geschulte Überedungskunst half auch hier, und so blieb es bei dem weniger schmerzlichen Verlust von einigen Päckchen Vanillesoßenpulver, die als angeblich verbotenes Milchprodukt beim besten Willen nicht mit eingeführt werden durften (die 6kg reines Milchpulver haben die Zöllner zum Glück nicht entdeckt...). Hoch zufrieden mit diesem eher unbedeutenden Bauernopfer quartierten wir uns dann in unserem Hotel ein, um die für lange Zeit letzte Nacht in einem richtigen Bett sowie die ebenfalls vorerst letzte heiße Dusche in aller Ruhe genießen zu können. Tashkurgan bietet ohnehin nicht viel sehenswertes und erschöpft von der langen Busfahrt der letzten Tage gingen so alle recht zeitig zu Bett...

01.08.2002
Eine nochmals etwa zwei Stunden dauernde Busfahrt auf dem Karakorum Highway führte uns am Vormittag nach Shubash, dem Ausgangspunkt für die Trekkingtour ins Basislager. Hier trafen wir auch auf unseren Koch, Mr. Li, der in den folgenden 3 Wochen für unser leibliches Wohl im Basislager sorge würde. Da wir am selben Tag ohnehin nicht mehr ins Basecamp aufsteigen wollten, unternahmen wir am Nachmittag noch einen Abstecher zum idyllisch gelegenen Karakol-See, der von den schneebedeckten Gipfeln des Kongur und des Muztagh Ata überragt wird. Am Abend errichteten wir auf einer schönen Wiese bei Shubash das erste Mal unsere Zelte und blickten hinüber zum wolkenverhangenen Muztagh Ata, der unser Lager um fast 4000m überragte...

Aufstieg ins Basislager

02.08.2002
Am nächsten Morgen erwartete uns dann ziemlich überraschend strahlend blauer Himmel, und obwohl aufkommende Wolken den Berg bereits am Vormittag wieder einhüllten, konnten wir so bereits einen ersten Blick auf den Gipfel erhaschen. Beim Anmarsch von Shubash aus ins 4400m hoch gelegene Basislager sollte das Gepäck auf traditionelle Art und Weise mit Kamelen transportiert werden, doch bevor es losging, dauerte es eine ganze Weile. Zuerst waren zu wenig Kamele da, dann gab es heftige Diskussionen zwischen den Kameltreibern und schließlich kamen wir erst kurz nach Mittag wirklich los. Die Kamele waren mit jeweils 4-5 Gepäckstücken bzw. 100-150kg beladen, aber scheinbar machte ihnen das kaum etwas aus, denn trotzdem fiel es uns schwer, mit ihnen Schritt zu halten.
Als wir den üblichen Platz für das Basislager erreichten, standen dort bereits etwa 20-30 Zelte, die sich dicht um die Generatorstation einer chinesischen wissenschaftlichen Expedition gruppierten. Da wir den Krach des Generators ohnehin nicht ständig um uns haben wollten, waren wir froh, einige hundert Meter abseits in relativer Ruhe an einem schönen Plätzchen unser Basislager errichten zu können. Was all die anderen Leute jedoch in die Nähe des lärmenden Aggrgats zog, blieb uns die ganze Zeit ein Rätsel. Wir zumindest hatten es wirklich schön, und da am selben Tag auch noch eine andere Bergsteigergruppe abrückte, waren wir am Berg selbst dann in den kommenden Wochen fast immer in völliger Einsamkeit unterwegs. Vom 4400m hoch gelegenen Basislager aus kann man den Gipfel des Muztagh Ata zwar auch bei schönem Wetter nicht sehen, doch am Nachmittag unserer Ankunft reichte der Blick nicht einmal bis zu den Eisbrüchen an der Gletscherkante oberhalb Lager 2. Dichte Wolken hüllten den berg ein, doch zum Glück hielt das Wetter zunächst ganz gut durch und erst am Abend, als die Zelte bereits standen, regnete es ein paar Tropfen.

03.08.2002
Über Nacht hatte sich wieder besseres Wetter eingestellt und wir nutzten den recht schönen Tag, um uns im Basislager endgültig einzurichten und alles für den ersten Aufstieg vorzubereiten. Während die anderen bereits einen Erkundungsausflug bis in ca. 4700m Höhe unternahmen, packten Madlen und ich die komplette Ausrüstung für das erste Hochlager zusammen. Zelte, Isomatten, Schlafsäcke, Schneeschaufeln, Kocher, Töpfe, Gaskartuschen, Konzentratnahrung und all die vielen Kleinigkeiten türmten sich bald zu einem beunruhigenden Berg, doch zu acht verteilte es sich dann doch ganz gut, so daß die Rucksäcke ein erträgliches Gewicht hatten.
Im Gegensatz zu allen (!) anderen am Berg befindlichen Expeditionen wollten wir den Aufstieg nämlich "by fair means" unternehmen und uns nicht von den geschundenen Lasteseln kirgisischer Eseltreiber sämtliches Gepäck bis ins Lager 1 auf 5300m hinauf schleppen lassen. Wie wir verständnislos miterleben mußten, haben einige Expeditionen sich ihr Gepäck von den Kirgisen dann sogar bis ins Lager 2 (6200m) tragen lassen oder z.B. für viel Geld riesige Kanister voller Wasser ins Lager 1 befördern lassen, nur weil sie zu faul zum Schneeschmelzen waren...
Was solche Vorgehensweise noch mit Bergsteigen zu tun hat, war uns nicht ganz klar, denn wenn man nicht einmal sein eigenes Gepäck selber tragen bzw. sich selber versorgen kann, hat man eigentlich an so einem Berg auch nichts zu suchen...

04.08.2002
Der eigentlich bereits für den Aufstieg geplante Tag wurde wetterbedingt zum weiteren Ruhe- und Akklimatisationstag umfunktioniert, denn den ganzen Vormittag regnete es. Erst am späten Nachmittag besserte sich das Wetter und schließlich konnten wir zum Kaffetrinken (mit original Dresdner Christstollen!) sogar draußen vor den Zelten in der sich mehr und mehr zwischen den Wolken durchkämpfenden Sonne sitzen...

Unterwegs am Berg

05.08.2002
Bei ausgezeichnetem Wetter konnte heute nun also der erste Aufstieg erfolgen und unser Ziel war die Errichtung des ersten Hochlagers. Zwischen 10 und 12 Uhr brachen wir alle auf in Richtung Berg und erreichten nach einem wenig abwechslungsreichen Anstieg durch Schotter und weiter oben etwas aufgeweichten Schnee schließlich das Lager. Entgegen den Berichten anderer bergsteiger hatten Madlen und ich gerade mal reichlich vier Stunden gebraucht, was für die Akklimatisation schon mal ein gutes Zeichen war. Der Lagerplatz bestand aus einem schrägen Schotterhang mit kleinen (durch Aufschichten von Steinen errichteten) Zeltplattformen, auf denen auch andere Expeditionen ihre Zelte stehen hatten. Wie so oft an hohen Bergen nimmt die Anzahl der Menschen die unterwegs sind, mit zunehmender Höhe drastisch ab und so war es auch hier: während im Lager 1 noch eine ganze Menge Zelte herumstanden (was wohl daran lag, daß außer uns kein einziger seine Zelte selber hochgetragen hat und somit übergroße Transportkapazitäten auf 5300m für einen Zeltüberschuß sorgten), standen beispielsweise im Lager 2 maximal 2-3 weitere Zelte neben unseren beiden.
Etwas abseits der anderen errichteten wir zumindest hier im Lager 1 erst einmal eines der beiden für dieses Lager bestimmten Kuppelzelte und richteten uns häuslich ein. Während die anderen noch am selben Tag wieder hinunter ins Basislager stiegen, um sich zu erholen, wollten Madlen und ich gleich eine Nacht hier oben bleiben und eventuell je nach Wetter und Verfassung sogar schon weiter vordringen...

06.08.2002
Die erste Nacht in 5300m Höhe hatte uns gut getan und erholt begannen wir am Morgen mit dem Schneeschmelzen und Kochen. Da wir eigentlich gar nicht so sehr damit gerechnet hatten, daß wir uns so fit fühlen würden, hatten wir für den weiteren Aufstieg nichts vorbereitet und vertrödelten den ganzen Vormittag mit Kochen und Packen. Erst gegen 14 Uhr (allerdings wie alle anderen Zeitangeaben innerhalb Chinas auch in der zentralen Peking-Zeit gemessen, also in Wirklichkeit immerhin noch ca. 2-3 Stunden früher...) brachen wir auf.
Das erste Mal benutzten wir nun auch unser Tourenski, die uns beim Spuren im tiefen Schnee weiter oben sowie beim Abstieg gute Dienste leisten sollten. Während Madlen und ich oberhalb von 5300m jeden Meter auf Ski zurücklegten, waren die anderen unserer Truppe als "Nichtskifahrer" zu Fuß bzw. mit Steigeisen unterwegs.
Der Aufstieg vom Lager 1 aus führte uns hinein in eine bizarre Welt aus Eis und Schnee, denn nach Überwindung eines ersten Hanges von ca. 150 Höhenmetern führte die Route durch einen beeindruckenden Eisbruch, dessen Überwindung zwar weder gefährlich noch schwierig war, aber unheimlich spektakuläre Passagen zu bieten hatte, wie beispielsweise den Durchgang durch eine Art "Korridor" mit Blick in die benachbarten Spalten und Eishöhlen.
Gegen 18 Uhr erreichten wir eine geeignete Stelle für unser zweites Lager in ungefähr 6200m Höhe, an der bereits drei andere Zelte standen. Bevor wir unser Zelt aufstellen konnten, mußten wir jedoch zunächst zwei geschlagene Stunden lang eine Plattform aus dem tiefverschneiten Hang schaufeln. Als wir jedoch schließlich bei Einbruch der Dunkelheit gemütlich in unseren warmen Schlafsäcken lagen und der schnurrende Kocher heiße Getränke bereitete, waren alle Mühen vergessen...

07.08.2002
Obwohl wir auch diese Nacht auf nunmehr schon 6200m Höhe ausgezeichnet geschlafen hatten, war es nun Zeit, ins Basislager zurückzukehren. Ausrüstung und Verpflegung für ein weiteres Lager bzw. gar den Gipfel hatten wir ohnehin nicht mit dabei, und so schaufelten wir am Vormittag noch eine Plattform für das zweite hier geplante Zelt und brachen dann am zeitigen Nachmittag auf in Richtung Tal.
Der Schnee war für eine Skiabfahrt zwar nicht ganz optimal, doch dank leichter Rucksäcke waren wir in recht genußvollen 75 Minuten schon wieder unten im Lager 1. Unterwegs staunten wir vor allem über die streckenweise doch recht große Steilheit des Geländes, denn beim Aufstieg war uns dies gar nicht so bewußt geworden. Besonders der riesige Hang oberhalb von Lager 1 sorgte im inzwischen aufgeweichten Firnschnee dann sogar für richtigen Fahrgenuß.
Im Lager 1 trafen wir die anderen, die nach ihrem Ruhetag inzwischen wieder hier hinaufgestiegen waren und nun ihrerseits Ausrüstung bis ins Lager 2 bringen wollten.
Wir deponierten unsere Ski und Skischuhe und stiegen am späten nachmittag ganz gemütlich in 2 Stunden bis ins Basislager ab, wo wir von John und Mr. Li aufs herzlichste empfangen wurden.

08.08.-10.08.2002
Während Madlen und ich bei anfangs gutem, später durchwachsenem Wetter drei Ruhetage im Basislager einlegten, waren die anderen am Berg oben aktiv gewesen. Eigentlich eher geringfügige Höhenprobleme bei Knollo sowie das durchwachsene Wetter hatten jedoch einen erneuten Aufstieg und Materialtransport ins Lager 2 vereitelt, so daß dort nach wie vor nur das eine Zelt stand. Dafür hatten die anderen jedoch auf halber Strecke zwischen den beiden Lagern 1 und 2 ein Depot mit jeder Menge Ausrüstung angelegt, welches beim weiteren Aufstieg von großem Nutzen sein würde.
Die Zeit im Basislager verbrachten wir mit lesen, schlafen, essen oder kurzen Ausflügen zu den nahe gelegenen Boulderblöcken, die einige nette kurze Klettereien in wirklich ungewöhnlich schöner Umgebung zu bieten hatten. Am Ende unserer 3 Tage währenden Ruhepause waren dann auch die anderen alle wieder im Basislager versammelt, um sich zu erholen und für den weiteren Aufstieg Kräfte zu sammeln.

11.08.2002
Trotz durchwachsenen Wetters sollte es heute wieder hinauf gehen. Als es gegen 13 Uhr dann tatsächlich nach Wetterbesserung aussah, brachen Carola, Gottfried, Jürgen und Udo auf, während Madlen und ich lieber noch eine Weile warteten. 16 Uhr hielt es schließlich auch uns nicht mehr im Basecamp und so erreichten wir 19 Uhr das Lager 1, in dem wir uns für eine Nacht zu sechst in die beiden zum Glück recht geräumigen Zelte teilten.

12.08.2002
Der Blick aus dem Zelt verhieß am Morgen nichts gutes. Kaum ein paar hundert Meter weit konnte man blicken, und so stand ein weiterer Aufstieg ins Lager 2 außer Diskussion. Im Laufe des Vormittags begann es dann auch noch heftig zu schneien, so daß die einzige Beschäftigung des Tages das regelmäßige Befreien der Zelte vom Neuschnee war. Die beiden Steffen erholten sich inzwischen im Basislager und waren wohl eher froh, nicht hier oben im Schneetreiben zu sitzen...
Als es gegen 19 Uhr dann plötzlich ein bißchen aufriß, beschlossen Madlen und ich spontan, ebenfalls ins Basislager abzusteigen, denn die Wetterprognose verhieß zumindest für den nächsten Tag noch keine endgültige Besserung. 2 Stunden später erreichten wir die relative Gemütlichkeit des Basislagers - gerade noch rechtzeitig, bevor es erneut begann zu schneien (bzw. im Basislager zu regnen).

13.08.-15.08.2002
Zwei Tage lang blieb es zunächst nahezu ununterbrochen schlecht. Die kurzen Pausen zwischen den einzelnen Schneeschauern nutzten Steffen und Knollo zum Aufstieg ins Lager 1, während nacheinander Udo, Jürgen und Gottfried ins Basislager herunterstiegen, um die Schlechtwettertage wenigstens zur Erholung zu nutzen und keine Kräfte in den Hochlagern zu verschleißen.
Am Morgen des 14. August lag sogar das erste Mal richtig reichlich Schnee im Basislager und gemeinsam bauten wir einen kleinen Schneemann, um uns wenigstens etwas Bewegung zu verschaffen. Erst am dritten Tag dieser Ruhephase wurde das Wetter langsam wieder besser und sowohl im Basislager als auch im Lager 1 wurde alles für den erneuten Aufstieg gerüstet.

16.08.2002
Bereits am zeitigen Vormittag kam per Funk aus Lager 1 die Nachricht vom Aufstieg von Carola sowie den beiden Steffen in Richtung Lager 2 und auch im Basislager machten sich alle auf den Weg nach oben. Diesmal schafften Madlen und ich die Strecke in nur 2h 45min, und so beschlossen wir im Lager 1 spontan, gleich am selben Tag noch ins Lager 2 weiter zu gehen. Die beiden Steffen hatten mehrere Stunden Vorsprung, während Carola umgekehrt war, da sie sich heute nicht so gut fühlte. So wären dann 4 Leute im Lager 2 und 4 im Lager 1 - eigentlich eine optimale Konstellation für den geplanten Gipfelversuch. Also brachen wir trotz bereits fortgeschrittener Zeit zu zweit um 17.45 Uhr auf mit unserer gesamten Verpflegung und Ausrüstung für den Gipfelsturm im Gepäck. Am Materialdepot unterwegs kam noch ein Zelt dazu, so daß die Rucksäcke ordentlich schwer waren. Ziemlich geschafft von der doppelten Tagesetappe und den schweren Rucksäcken erreichten wir erst gegen 22 Uhr im allerletzten Dämmerlicht das Lager. Bis weit nach Mitternacht lief dann der Kocher, um ausreichend Flüssigkeit nachzutanken, denn am nächsten Tag sollte es ja gleich weiter nach oben gehen...

17.08.2002
Am frühen Morgen erwartete uns strahlender Sonnenschein, doch ehe wir alles für den Lageraufbau und Gipfelversuch notwendige zusammengepackt hatten, verging einige Zeit. Knollo und Steffen wollten heute einen Ruhetag im Lager 2 einlegen, da sie ja das erste Mal auf dieser Höhe waren, während es Madlen und mich unwiderstehlich in Richtung Gipfel zog. So brachen wir zu zweit gegen Mittag auf in Richtung Lager 3. Unser Ziel war dabei ursprünglich, eine Höhe von 6800m zu erreichen und dort unser Zelt als drittes Hochlager aufzubauen. Das dies zu zweit ziemlich schwer werden würde, wußten wir von Anfang an, doch es war nicht unmöglich. Seit vielen Tagen hatte sich kein Mensch mehr hier oben bewegt, eine Spur war nach den ergiebigen Schneefällen der letzten Tage nicht vorhanden und selbst die vorher bis zu 1m weit aus dem Schnee ragenden Markierungsfähnchen schauten nur ab und zu mal ein paar Zentimeter aus dem Neuschnee hervor. Neben unermüdlichem Spuren waren also auch noch Orientierungssinn und Wegsuche gefragt. Zum Glück hatten wir im Lager 2 genügend Markierungsfähnchen mitgenommen, um wenigstens unsere Route für den Rückweg ausreichend kennzeichnen zu können. Das Spuren war selbst mit Tourenski sehr anstrengend und an den steilsten Passagen steckten wir trotz Ski oft bis fast zu den Knien im grundlosen Pulver. Zu allem Überfluß wurde das Wetter auch wieder schlechter, so daß wir stellenweise in richtig dichtem Nebel steckten und uns sehr sorgfältig orientieren mußten. So ging es natürlich viel langsamer als erhofft voran und als wir gegen 18.30 Uhr dann eine Stelle erreichten, die uns für die Errichtung unseres Lagers ziemlich günstig erschien, begannen wir mit dem Schaufeln. Zwar hatten wir hier auch ein kaum aus dem Schnee ragendes kleines Bündel mit weiteren Markierungsfähnchen gefunden, doch waren wir ziemlich überrascht, als wir feststellten, daß bereits vor uns jemand diese Stelle als Lagerplatz benutzt haben mußte. Beim Graben fanden wir im fast 1m tiefen Neuschnee u.a. eine Isomatte, einen halb gefrorenen Schlafsack, mehrere fast leere Gaskartuschen und einige andere Dinge, die scheinbar von unseren Vorgängern hier zurückgelassen worden waren. Die anfangs völlig vereiste Isomatte und der Rest vom Kochergas konnten uns sicher noch gute Dienste leisten, aber auch den ganzen restlichen Müll gruben wir vorsichtig aus, um später alles mit ins Tal zu nehmen. Reichlich zwei Stunden nach Beginn des Grabens war die Fläche groß genug. um unser Zelt aufzustellen und schon kurze Zeit später war der erste Topf Tee fertig. Eigentlich hätten wir uns am liebsten sofort in die warmen Schlafsäcke verkrochen, doch ebenso wichtig wie ausreichend Schlaf war die Flüssigkeitszufuhr, und so ließen wir bis weit nach Mitternacht den Kocher unzählige Topfladungen Schnee zu heißen Getränken und Suppe verarbeiten...
In den unteren Lagern hatte sich währenddessen auch eine Menge getan: Udo und Jürgen waren ins Lager 2 hinaufgestiegen und dort wurde von Knollo und Steffen inzwischen das zweite Zelt aufgestellt. Gottfried und Carola, die sich beide nicht so fit fühlten, waren indessen vom Lager 1 aus ins Basislager abgestiegen.

Der Gipfelaufstieg

18.08.2002
Bereits um 6 Uhr riß uns das Piepsen des Weckers unerbittlich aus dem unruhigen Schlaf. Obwohl ich sofort den Kocher anwarf, um den geplanten Startzeitpunkt von 8 Uhr einzuhalten, dauerte alles viel länger als erwartet. Die eisige Kälte von mindestens -20 Grad hemmte alle Bewegungen. Eine kleine Ewigkeit dauerte das Anziehen und Fertigmachen, während wir zwischendurch immer wieder die gefühllosen Hände an Bechern mit heißem Kakao und Kaffee wärmten. Um 9 Uhr waren wir endlich mit allem fertig, doch ehe wir beide draußen mit angeschnallten Ski die ersten Schritte in Richtung Gipfel machen konnten, dauerte es nochmals 25 eisige Minuten, was vielleicht einiges über die Verhältnisse aussagt...
Das Wetter schien phantastisch zu werden, denn der langgezogene Schatten des Muztagh Ata ragte kilometerweit in die von stahlblauem Himmel überwölbte Steppe. Die ersten Schritte waren wie so oft die schwersten, denn ehe man einen richtigen Rhythmus gefunden und die klammen Finger und Zehen erwärmt hat, vergeht in solcher Höhe oft einige Zeit. Reichlich zwei Stunden nach dem Aufbruch erreichten uns dann endlich die ersten Strahlen der wärmenden Sonne. Schnell wurde es erträglicher und auch der von Beginn an eisige Wind ließ langsam nach, so daß wir einige Stunden später bei einer Rast sogar die Daunenjacken für einige Minuten ausziehen konnten.
Zwar ging es stetig voran, doch in dem relativ flachen Gelände gewannen wir nur langsam an Höhe. Immer wieder ging der Blick zu Uhr und Höhenmesser, doch letzterer vermeldete trotz vermeintlich kilometerweitem Aufstieg nur schleppende Fortschritte. Zum Glück mußten wir kaum spuren, denn große Strecken des sanft geneigten Gipfelplateaus waren stark verblasen, so daß wir kaum einsanken. Ab und zu stießen wir auf Markierungsfähnchen, doch die Richtung war bei dem herrschenden guten Wetter ohnehin nicht zu verfehlen. Trotzdem achtete ich sorgsam darauf, aller ca. 200 Meter selbst ein Fähnchen zu hinterlassen, um auch ja den Rückweg wieder zu finden. Die Hangneigung wurde immer geringer und irgendwann hatten wir fast den Eindruck, in der Ebene zu laufen. Fast zeitgleich zogen dichte Quellwolken auf, die uns bald einhüllten und die Orientierung erschwerten. Nun steckte ich die Fähnchen noch dichter, doch an Umkehr dachten wir so kurz vor dem Ziel natürlich nicht.
Ziemlich unvermittelt tauchten in einiger Entfernung dann plötzlich einige Felsen auf. Das konnte nur der Gipfel sein, und so hielten wir darauf zu und erreichten 17.45 Uhr, mehr als 8 Stunden nach dem Aufbruch, schließlich den Gipfel des Muztagh Ata. Fast eine Stunde verbrachten wir auf dem höchsten Punkt, stets auf ein endgültiges Aufreißen der Wolkendecke hoffend, denn zwischendurch eröffneten sonnige Momente immer wieder eilige Blicke durch die Wolkenfetzen hindurch in die Steilabbrüche auf der anderen Seite des Gipfels.
Neben dem Hoffen auf einige Ausblicke und Gipfelfotos überwog bei uns beiden vor allem das Gefühl, es endlich geschafft zu haben. Die Monotonie der letzten Stunden war vor allem morlaisch zermürbend gewesen, auch wenn ich mich immerhin noch fit genug fühlte, einige halbwegs ruhige Filmaufnahmen auf dem Gipfel zu drehen. Nun erwartete uns nur noch die Abfahrt, für die wir uns eigentlich richtig Zeit nehmen wollten. Schließlich hatte ich Fotoapparat und Videokamera nicht mit hier hinauf geschleppt, um nur hastiges, atemloses hinunterrasen festzuhalten, sondern wollte auf über 7000 Meter Höhe auch einige schöne Schwünge in den Schnee setzen. Mit leichtem Rucksack klappte dann trotz der Höhe sogar das Skifahren erstaunlich gut, so daß wir immer wieder zum Fotografieren anhielten. Groß war unser Erstaunen, daß wir für die gesamte Abfahrt bis ins Lager 3 trotzdem nur anderthalb Stunden gebraucht hatten. Dort wurden wir von Knollo und Steffen herzlich mit heißem Tee empfangen, denn die beiden waren heute vom Lager 2 aus hier hinaufgestiegen. Nach einer Stunde Rast und Rucksackpacken fuhren wir im letzten Abendlicht dann gleich nich weiter hinunter bis ins Lager 2 - dank der nun doch schon recht schweren Rucksäcke allerdings längst nicht mehr so unbeschwert wie oberhalb von Lager 3...
Im Lager 2 wurden wir von Jürgen und Udo erneut aufs herzlichste begrüßt und beglückwünscht, bevor wir uns dann zum Kochen in eins der beiden Zelte zurückzogen. Geschafft aber glücklich redeten wir noch lange über die Momente ganz da oben, ehe wir einschliefen...

Weitere Gipfelversuche

19.08.2002
Während Madlen und ich heute bis ins Basislager hinunter wollten, begann für die anderen langsam der Ernst des Gipfelversuches. Jürgen und Udo brachen vom Lager 2 aus auf nach oben, wo Knollo und Steffen auf sie warten wollten, um gemeinsam mit vereinten Kräften den Gipfel zu versuchen. Wir packten indessen alles Überflüssige zusammen und schwangen uns dann mit riesigen Rucksäcken beladen auf unsere Ski. Die Abfahrt im inzwischen sehr schwer gewordenen Schnee war die reine Katastrophe. Hin- und hergerissen vom Gewicht des 25kg-Rucksacks und dem abwechselnd tiefen und verharschten Schnee waren unsere Schwungfolgen mit Sicherheit nicht sonderlich ästhetisch anzusehen. Das Fahren war extrem anstrengend und immer wieder mußten wir stehen bleiben und Atempausen einlegen. Der einzige Trost war, daß diese Fortbewegungsart trotzdem noch erheblich schneller war, als zu laufen. So erreichten wir bald das Lager 1, wo der Wechsel von Tourenski auf Trekkingschuhe anstand, bevor es weiter talwärts ging. Beladen mit erneut noch schwerer bepackten Rucksäcken (denn jetzt hatten wir auch gleich noch die Ski + Skischuhe mit obendrauf geschnallt) stiegen wir langsam hinunter in Richtung Basislager. Unterwegs trafen wir auf Gottfried und Carola, die ins Lager 1 hinaufstiegen, um ihrerseits einen letzten Versuch zu starten. Wir wünschten ihnen viel Glück und stiegen dann langsam weiter hinab.
Unten angekommen wurden wir ganz herzlich von John, Mr. Li und Mr. Jiao (unserem inzwischen eingetroffenen Verbindungsoffizier) begrüßte und beglückwünscht. Mr. Li verwöhnte uns zur Feier des Tages mit auserlesenen Kreationen aus seiner Küche, doch uns war das eigentlich mehr oder weniger egal - wir waren vor allem froh, uns endlich wieder ohne die beißende Kälte der Hochlager bewegen zu können...

20.08.2002
Am frühen Morgen zur Funkzeit erwartete uns eine unangenehme Nachricht. Die ganze Zeit war das gesamte Team stets gewissenhaft darauf bedacht, Absprachen und Planungen für den Materialbedarf in den einzelnen Lagern sehr sorgfältig per Funkgerät untereinander abzustimmen, und eigentlich immer hatte das auch wirklich perfekt geklappt. Nur gestern war uns ein winziger Denkfehler unterlaufen, der für Carola und Gottfried unschöne Folgen hatte: als es um die Zahl der Schlafsäcke ging, hatten alle nur über die oberen beiden und damit zugleich kältesten Lager (2 und 3) geredet und keiner hatte ans Lager 1 gedacht. So fanden Carola und Gottfried bei ihrer Ankunft überraschenderweise nur einen einzigen Schlafsack vor, mit dem sie zu zweit die Nacht eher schlecht als recht verbrachten. Für alle überraschend und schade, aber durchaus verständlich kam daher am Morgen ihr Entschluß, den Gipfelversuch vorzeitig abzubrechen und sich nach der anstrengenden und eisigen Nacht im Lager 1 lieber voll und ganz auf die Unterstützung der anderen vier Gipfelaspiranten zu konzentrieren. So bauten Sie am Vormittag bereits eines der beiden Zelte im Lager 1 ab und bereiteten alles für den Abstieg der Gipfelgruppe vor. Anschließend stiegen sie zu Madlen und mir hinunter ins Basislager und betrachteten damit ihren Gipfelversuch als beendet. Ein bißchen traurig waren sie in dem Moment sicher schon, doch nun galt zunächst alle Hoffnung und Aufmerksamkeit dem weiteren Aufstieg der Vierertruppe im Lager 3. Da das Wetter heute oben am Berg extrem kalt und stürmisch war, beschlossen die vier, den Aufbruch um einen Tag zu verschieben - angesichts der vorhandenen Gas- und Lebensmittelreserven und der nicht ganz so extremen Höhe des Lagers mit Sicherheit eine vernünftige Entscheidung. Auch im Basislager war alles auf Ruhetag eingestellt und Madlen und ich nutzten die sonnigen Stunden für die erste ausgiebige Wäsche nach den Tagen am Berg.

21.08.2002
Als wir im Basislager beim ersten Blick aus dem Zelt den strahlend blauen Himmel sahen, wußten wir sofort: heute geht's da oben los! Vergeblich versuchten wir um 10 Uhr, das Gipfelteam per Funk zu erreichen, doch dies werteten wir als positives Zeichen: sie waren also losgegangen! Da das Wetter wirklich phantastisch war und wir auf der Anfahrt ins Basislager vom Karakol aus den Muztagh Ata ja noch gar nicht richtig gesehen hatten, wollten wir vier hier unten (Madlen, Carola, Gottfried und ich) den Tag nutzen, um einen Fotoausflug an den See zu unternehmen. Gemeinsam mit unserem Guide John brachen wir kurz nach Mittag auf und marschierten hinunter nach Shubash. Unterwegs erfuhren wir per Funk von Udo, daß dieser ins Lager 2 abgestiegen war, während die anderen drei dem Gipfel entgegen gingen. Von Shubash aus charterten wir einen Jeep, um die 15km auf dem Karakorum Highway bis zum Karakol-See zu fahren. Von dort aus hatten wir phantastische Blicke auf den Muztagh Ata, an dem Jürgen und 2x Steffen an diesem Tag hoffentlich auf dem Gipfel stehen würden...
Erst auf dem Rückweg ins Basislager hatten wir um 20 Uhr schließlich Funkkontakt zu den drei Gipfelstürmern. Leider hatten sie es nicht geschafft, waren zu Fuß und völlig auf sich allein gestellt im knietiefen Schnee steckengeblieben. Als sie sich schließlich auf über 7000m Höhe nur mehr 50 Höhenmeter pro Stunde vorwärts wühlten, blieb ihnen keine andere Wahl, als aufzugeben. Ohne Ski und bei sehr sonnigem, aber extrem stürmischem Wetter hatte eine so kleine Gruppe einfach keine Chance. Knollo wollte es eigentlich zwei Tage später noch einmal versuchen, doch als er sah, daß die beiden außer uns noch am Berg befindlichen Expeditionen weiterhin zögerten und darauf warteten, daß wir eine Spur in Richtung Gipfel legen würden, gab auch er sich geschlagen.
Ein bißchen traurig, aber trotzdem zufrieden mit den auch ohne Gipfel sehr schönen Erlebnissen traten die drei den Abstieg an.

22.08.2002
Während Jürgen + 2x Steffen das komplette Lager 3 abbauten, war Udo bereits ein Lager tiefer damit beschäftigt, ein Zelt und zahlreiche Ausrüstungsgegenstände in seinem Rucksack zu verstauen. Allein stieg er dann in einem Zug hinunter bis ins Basislager, wo er am Nachmittag mit einer Unmenge Gepäck ankam. Die anderen drei stiegen ebenfalls hinunter bis ins Lager 2, beräumten auch dort das letzte noch verbliebene Zelt und setzten dann ihren Abstieg in Richtung Basislager fort. Carola, Gottfried und ich gingen ihnen noch ein Stück entgegen, um beim Lastentransport zu helfen, doch die Motivation, hinunterzukommen, war größer als wir vermutet hatten: viel schneller als gedacht erreichte auch der letzte das Bbasislager und gleichzeitig hatten wir damit nicht nur unsere gesamte Ausrüstung sondern auch sämtlichen Müll mit hinuntergebracht, und das alles aus eigenen Kräften und OHNE Zuhilfenahme von Lasteseln oder Trägern!

23.08.2002
Den ganzen Tag verbrachten wir im Basislager damit, unsere Ausrüstung zu trocknen, zu sortieren und marschfertig zu verpacken. Für den nächsten Tag waren bereits die Kamele bestellt und es sollte hinunter gehen nach Shubash und weiter zum Karakol-See.
Bestes Wetter machte die ganze Pack-Aktion ziemlich angenehm und die Stimmung war gelöst und gut, obwohl es ja leider nicht alle bis zum Gipfel geschafft hatten. Das wichtigste sind und bleiben aber ohnehin die gemeinsamen Erlebnisse am Berg und diese waren sicher für alle unvergeßlich schön!
Am Abend feierten wir dann im Mannschaftszelt eine ausgelassene Gipfelparty mit selbstgemachtem Kartoffelsalat (Danke Madlen + Udo!) und sogar ein paar Flaschen echtem chinesischen Bier, die John extra von der chinesischen wissenschaftlichen Großexpedition organisiert hatte.
Auch unser Guide, Koch und Verbindungsoffizier stießen mit an und fanden es sichtlich ein bißchen traurig, schon bald von unserer lustigen Truppe Abschied nehmen zu müssen...

Rückreise nach Pakistan & Heimflug

24.08.2002
Bereits am frühen Morgen wurden die Basislagerzelte abgebaut und 12 Uhr stand schließlich alles abmarschfertig bereit zum Verlassen des Basislagers. Die Kamele wurden beladen und dann ging's in etwa 3-4 Stunden hinunter nach Shubash, wo schon unser Bus wartete. Während Mr. Li und Mr. Jiao mit einem Kleinlaster und der gesamten Küchenausrüstung sofort nach Kashgar fuhren, konnten wir gemeinsam mit John noch einen wunderschönen Nachmittag am Karakol verbringen. Über dem spiegelglatten See leuchtete der schneeweiße Gipfel des Muztagh Ata scheinbar zum Greifen nah und doch so fern über unseren Köpfen.
Einige von uns wagten (verbotenerweise) sogar ein Bad im gar nicht so eisigen Wasser des Karakol. Die Nacht verbrachten wir direkt am See in einer traditionellen kirgisischen Jurte. Ehe wir einschliefen, wurde es allerdings ziemlich spät und lustig, denn nach den Tagen am Berg waren die Köpfe nun wieder frei für allerhand andere Dinge, auf die wir uns nun freuten...

25.08.-26.08.2002
Nachdem wir den ganzen Vormittag noch gemütlich am See verbracht hatten, fuhren wir gegen Mittag dann noch einmal am Muztagh Ata vorbei und weiter nach Tashkurgan. Zur abendlichen Abschiedsparty in einem typisch uigurischen Restaurant flossen reichlich Bier und Chinesischer Likör, so daß unser Busfahrer Mr. Yaken am nächsten Morgen gar keinen guten Eindruck machte. Trotzdem hieß es zeitig aufbrechen, denn bis zu unserem Tagesziel Karimabad war es weit.
Die Grenzkontrolle in Tashkurgan ging zwar problemlos vonstatten, doch aufgrund des vergleichsweise großen Andrangs dauerte die Prozedur mehrere Stunden. Schließlich ging es los, wobei unser Busfahrer zunächst zum fahren im Konvoi mit zwei weiteren Bussen verpflichtet wurde. Später fuhren wir dann für uns allein und hatten so auch Gelegenheit zu mehreren kurzen (und eigentlich verbotenen) Zwischenstops. Einer davon wurde nötig, als eine der auf dem dach festgezurrten Tonnen mit unserem Gepäck sich in einer Kurve gelöst hatte und in hohem Bogen in den Straßengraben geflogen war. Zum Glück bemerkte Mr. Yaken als einziger sofort den Zwischenfall, so daß wir die Tonne bergen und erneut befestigen konnten. Das gute daran war für uns die Tatsache, daß der übermüdete Mr. Yaken, den wir vorher bereits mit Cola und Koffeinbonbons munter zu halten versucht hatten, auf einen Schlag wieder munter und voll konzentriert war.
Auf der Paßhöhe des Kunjerab Passes erfolgten dann die üblichen Kontrollen. Auch diesmal sahen wir von hier oben leider nur dichte Wolken, so daß wir uns nicht lange aufhielten. Kurz vor dem Nationalparkausgang auf pakistanischer Seite legten wir noch ein gemütliches Picknick am Wegesrand ein, ehe wir den Checkpoint passierten und erneut um die Nationalparkgebühr erleichtert wurden. Trotz massiver Diskussionen über diese Abzockerei kamen wir um die Bezahlung nicht herum und erreichten schließlich bereits relativ spät am Abend Sust. Hier erwarteten uns bereits unser pakistanischer Bus sowie unser Freund Jehangir, der uns den rest des Weges bis nach Islamabad begeliten würde. Nach einem ausgiebigen Essen und der Verabschiedung von Mr. Yaken bestiegen wir dann also für etwa 3 Stunden den anderen Bus und fuhren noch weiter bis nach Karimabad, wo wir spät in der Nacht eintrafen.

27.08.2002
Der ganze Vormittag stand für die Besichtigung von Karimabad zur Verfügung. Neben den klassischen Sehenswürdigkeiten des Hunzatales - allen voran das aufwendig restaurierte und zum Museum umgestaltete Baltit Fort - ergab sich zufälligerweise auch ein Abstecher zum Festgelände des gerade hier abgehaltenen Silk Road Festival, auf dem u.a. traditionelle Handwerkskunst demonstriert wurde. Der anschließende Kauf diverser Souvenirs zog sich aufgrund der Mittagspause vieler Händler ein wenig unplanmäßig in die Länge, so daß wir erst am Nachmittag Karimabad verließen. Nach mehrstündiger Fahrt auf dem Karakotum Highway erreichten wir Chilas, wo wir erneut im bereits von der Hinfahrt her bekannten Hotel übernachteten.

28.08.2002
Sehr zeitig am Morgen starteten wir zur letzten Tagesetappe der Rückfahrt nach Islamabad. So konnten wir uns unterwegs nämlich in aller Ruhe Zeit für verschiedene Zwischenstops nehmen. Ein Fußbad in den Fluten des Indus gehörte ebenso dazu wie der eine oder andere Fotostop unterwegs. An der letzten Indusbrücke hinter Besham ereignete sich dann noch eine interessante Begebenheit: am Polizeiposten verpaßte man uns dort voller Pflichtbewußtsein und Diensteifer ein Begleitfahrzeug, welches von nun an für unsere besondere Sicherheit sorgen sollte. Zwar fühlten wir uns an keiner Stelle auch nur irgendwie unsicher oder bedroht, aber allein das Erlebnis, wie reibungslos, fließend und routiniert die Übergabe dieses Begleitschutzes aller 10-20km an eine neue Fahrzeugbesatzung erfolgte, war beeindruckend. Bereits spät am Abend, bei einem kurzen Einkaufsstop zum Souvenirkauf in Taxila, halfen uns die sehr netten Polizisten sogar geduldig bei den Preisverhandlungen mit den Händlern bzw. der Auswahl von Souvenirs. Spät in der Nacht erreichten wir schließlich unser Hotel in Rawalpindi und fielen todmüde in die Betten...

29.08.2002
Ein abwechslungsreicher Tag in der quirligen Hektik der Millionenstadt Rawalpindi diente nicht nur dem Sammeln vielfältiger Eindrücke pakistanischen Lebens, sondern vor allem auch dem Einkauf von Souvenirs, Bekleidung und allerhand anderen Dingen auf den Märkten und Basaren in den verwinkelten Gassen und Straßen der Stadt. Ein Besuch der berühmten Faisal-Moschee im benachbarten Islamabad beeindruckte ebenso wie die stets ruhigen und freundlichen Menschen im Trubel des typisch asiatischen Großstadtlebens. Am Abend feierten wir die vielen gemeinsamen Erlebnisse auf dieser Expedition mit einem zünftigen Abschiedsessen in einem der besten Barbecue-Restaurants der Stadt. Während Carola, Gottfried, Jürgen, Udo und 2x Steffen morgen die Heimreise antreten würden, hatten Madlen und ich noch drei weitere anstrengende Tage für die Organisation des Aircargo- und Grußpostkarten-Versands sowie vieler anderer Dinge Zeit...

30.08.-03.09.2002
Nachdem wir gemeinsam zum Flughafen gefahren waren und uns verabschiedet hatten, verbrachten Madlen und ich die verbleibenden Stunden mehr oder weniger ständig auf Achse zwischen Cargo Office, Hauptpostamt, Hotel, unserer Partneragentur und verschiedenen Läden, in denen noch diese oder jene Kleinigkeit einzukaufen oder zu erledigen war. Drei Tage vergingen so wie im Fluge und als wir am 2. September schließlich selber im Flieger saßen, waren wir froh, endlich wieder mal ein paar Stunden in Ruhe schlafen zu können. Über Dubai - Frankfurt - Hannover - Berlin erreichten wir nach einer wahren Odyssee am Morgen des 3. September Dresden, wo sich in der Zeit unserer Abwesenheit die verheerende Flutkatastrophe abgespielt hatte. Damit war unsere Expedition zu Ende und der Alltag hatte uns wieder - auch wenn dieser nach dem Jahrhunderthochwasser zunächst so ganz anders aussah, als wir uns dies vorgestellt hatten...

Markus Walter

Danksagung


Ein herzliches Dankeschön geht an dieser Stelle an alle Expeditionsteilnehmer, deren Teamgeist und fröhliche, unbeschwerte Art dafür sorgten, daß wir alle gemeinsam auf dieser Tour unvergeßlich schöne Wochen erlebt haben. Außerdem bedanke ich mich bei meinen Kollegen von DIAMIR, deren Einsatz und unermüdliche Arbeit den reibungslosen Ablauf dieser Reise ermöglichten, sowie unseren fleißigen Helfern vor Ort: "Mr. John", Mr. Li, Mr. Jiao und Mr. Ji Wensheng.
Ein herzlicher Dank geht außerdem an die Firmen, die mich (nicht nur auf dieser Tour) großzügig mit der bestmöglichen Ausrüstung unterstützten: LOWA, DYNASTAR, YETI Exner Design sowie FRITSCHI Swiss. Dass Madlen und mir sowohl der Aufstieg als auch die Abfahrt am Muztagh Ata so viel Spaß gemacht haben, lag mit Sicherheit auch an der superleichten und funktionellen Skiausrüstung: DYNASTAR Altiplume Ski mit (in Inserts montierter) FRITSCHI Diamir Titanal II Tourenbindung sowie dazu dem superwarmen und bequemen LOWA Structura in EVO- bzw. Normalausführung. Diese Kombination ist und bleibt nicht nur für Skitouren in den Alpen unsere 1.Wahl!


Ausführliche Informationen zum Muztagh Ata...


...bekommt man bei DIAMIR Erlebnisreisen, wo auch 2003 wieder die Expedition zum "Vater der Schneeberge" auf dem Programm steht. Für eine Teilnahme an der Tour vom 27.07. bis 28.08.2003 zum 7546m hohen Muztagh Ata sind solide bergsteigerische Vorkenntnisse sowie Erfahrung im Umgang mit Seil, Eispickel und Steigeisen unbedingte Voraussetzung. Mit körperlicher Fitness und Kondition für bis zu 12stündige Tagesetappen bestehen gute Chancen, den Gipfel entweder mit Ski oder Schneeschuhen oder bei guten Schneeverhältnissen auch zu Fuß bzw. auf Steigeisen zu erreichen und den traumhaften Blick hinunter in die chinesische Steppe zu genießen...

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