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Anden 2000 - Aconcagua 6959m
2. Februar - 25. Februar 2000
Expeditionsmannschaft
Kerstin Spiegel, 39 , Döbeln, Jens Rettig, 34, Dresden / Frankfurt (M)
Matthias Liers, 36, Döbeln, Klaus - Dieter Liers, 45 , Döbeln
Jörg Ehrlich, 29, Heidenau, Expeditionsleiter
Expeditionsbericht
Anreise von Deutschland bis zum Nationalpark Aconcagua...
Die Expedition begann am 2. Februar 2000 gegen 16 Uhr mit dem Flug von
Dresden über Amsterdam, Sao Paulo und Buones Aires nach Santiago de Chile.
Von da ging es mit einem Kleinbus über den Andenhauptkamm in den
argentinischen Ort Mendoza. Ausschließlich hier ist das zur Zeit 120
Dollar teure Besteigungs-Permit für den Aconcagua erhältlich. Ohne
dieses Permit ist es nicht möglich, diesen Berg zu besteigen. Nach einigen
Einkäufen in den Supermärkten Mendozas - in denen es etwa das gleiche
Angebot wie in Deutschland gibt - führen wir wieder 4 Stunden mit dem
Kleinbus zurück in Richtung chilenische Grenze.
Im kleinen Ort Puenta del Inca ( zu Deutsch Brücke der Incas )
blieben wir für zwei Tage. Hier
wollten wir uns in 2700m Höhe erst einmal etwas akklimatisieren. So
wanderten wir auf einen ca. 4000m hohen fast bedeutungslosen Hügel. Das
durchwachsene Wetter hat uns nicht einmal einen guten Ausblick beschert. Aber so
kamen wir wenigstens zu einer besseren Höhenanpassung, denn am folgenden
Tag ging die Wanderung in das ca. 45 km entfernte Basislager los. Zunächst
mußten alle das teure Permit an der "Eingangstür der
Parkverwaltung" vorzeigen....
Überall sind Sachsen...
Spätestens hier war klar,
das der Berg wohl wieder einmal fest in sächsicher Hand sein sollte. Neben
den Gruppen von Dirk Pannenborg aus Freiberg und Dresden, der Dresdner Malerin
Angela Hampel, dem bekannten Dresdner Alpinisten Werner Starke und der
kommerziellen Expedition eines Leipziger Unternehmens waren wir bereits die fünfte
sächsiche Truppe in diesem Jahr am Aconcagua ! Bis auf die Leipziger Gruppe
waren jedoch alle schon wieder auf dem Rückweg.
Dramaturgie eines doch noch vereitelten Diebstahls...
Binnen zweier Tage erreichte unsere Truppe das Basislager in 4250m Höhe.
Hier im "Plaza de Mulas" tummeln sich hunderte Bergsteiger aus der
ganzen Welt. Für die 45 km lange monotone Strecke hatten wir nur das Nötigste
selber getragen. Die gesamte Expeditionsausrüstung wird durch Maultiere in
das Basislager transportiert.
Jedes Tier trägt dabei zwei Gepäckstücke
a 30 kg. Somit war wenigstens das Gepäck keine Last bei der langen
Wegstrecke bis in das Basislager. Jedoch begann dort erst der Streß mit
dem Gepäck. Von den sechs Gepäcksäcken unserer Gruppe kamen nämlich
nur fünf im Basislager an. Ausgerechnet mein eigener Sack ( in dem neben
meiner gesamten Bergsteigerausrüstung auch noch die Plastbergstiefel von
Jens mit drin waren ) fehlte. Mit der geistreichen Aussage "it's not here ,
it's not there, I think it's lost" kümmerte sich der im Lager unserer
Agentur AYMARA zuständige Leiter sehr einfühlsam um unser Problem.
So
blieb mir nichts anderen übrig, als mich selber rege um das Problem zu bemühen.
Binnen der folgenden drei Tage, die ja sowieso erst einmal für
Akklimatisationszwecke vorgesehen waren, durchforstete ich das ganze Lager ( 12
Agenturen, über 150 Bergsteiger ) auf der Suche nach meinem Gepäck.
Inzwischen hatte ich den Schaden durch die fehlende Ausrüstung auf etwa
2600 Dollar beziffert. Nach einigen Anrufen ( über Telefon und
Kurzwellenfunk - als Kombination aus beidem ) mit der Führungsriege der
Agentur AYMARA, bei denen ich beteuerte, sofort nach Mendoza abzusteigen und die
Polizei zu aktivieren, sollte nicht bis zum von mir gestellten Ultimatum der
Sack wieder erscheinen oder 2600 Dollar mir überreicht werden, hatte man
sich dort dazu entschlossen, den Sack doch noch "wiederzufinden"...
in dieser Zeit verging für mich die Akklimatisation wie im Fluge...
Das Bergsteigen konnte also beginnen - zunächst ein Fünftausender
für's Gemüt...
Nach drei Tagen im Baislager entschlossen wir uns den 5013m hohen Berg
Cerro Bonete zu besteigen. Vom Basislager konnte man den Gipfel technisch
unschwer in 3 - 4 Stunden erreichen. Von da ab genießt man einen sehr schönen
Blick hinüber zum eigentlichen Ziel der Expedition: Dem 6959m hohen Riesen
des Aconcagua. Der Rundblick reicht bis hinüber zum in Chile gelegenen
Cerro Plomo. Der im allgemeinen durch Schotter und Geröll gehende Weg
wird ab und zu durch interessante Büßerschneepassagen aufgelockert.
Bis zu zwei Meter hohe Büßerschneestelen ragen aus den Eisfeldern
empor. Der Anblick ist sehr beeindruckend und schön, jedoch das Queren
eines solchen Feldes wohl schon eher eine Buße...
Auf dem Gipfel halten
wir eine lange Rast, um die Akklimatisation für den Aconcagua zu
verbessern. Wir haben auch keine Eile, den den Schotterhang ist man binnen einer
Stunde wieder "runtergesurft" bzw. "runtergeschlittert". Am
Abend erreichen wir wohlbehalten das Basislager. Nach einem Ruhetag wollen wir
dann bis ins Lager Nido de Condores in 5380m Höhe aufsteigen und die
Besteigung des Aconcagua in Angriff nehmen. Doch dazu kam es vorerst nicht.
Orkan im Nido de Condores und Schneesturm im Basislager...
Am eigentlich zur letzten Vorbereitung für den Aufstieg
vorgesehenen Ruhetag verschlechterte sich das Wetter relativ rasant. Kochen vor
dem Zelt war schon eher eine Strafe... Der Wind hatte sich zum Sturm entwickelt
und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten Zelte durch die Luft
fliegen würden. Im Laufe des Tages legten wir wieder und wieder Hand an
unsere Zelte und vor allem an die windfesten Verankerungen. Hier zahlten sich
die SALEWA-Expeditionsüberzelte mit Snowflaps mal richtig aus. Unsere Zelte
waren also sehr windstabil verankert, währenddessen die ohnehin
windinstabilen Toilettenhäuschen schon kreuz und quer im Lager rumlagen...
Zu alledem fing es auch noch zu schneien an. Wir hatten also echt den Genuß
des Winterurlaubs. Im Laufe der Nacht war es dann auch endlich geschafft. bei
einer sehr starken Böe hat es das Windrad des Lagers tatsächlich
entschärft. Ein Grund zur Freude, hat uns das nervige Rattern des
selbstgebastelten Rades schon lange genervt.
Am nächsten Morgen war dann
die Schadenfreude beim Anblick der Überreste nicht ganz zu verbergen...
Im Laufe des Tages kommen entnervte Bergsteiger vom Lager Nido de Condores
heruntergestiegen. Bei einigen war das Zelt im Hochlager davongeflogen oder
zerrissen. Zwei weitere Tage dieses Wetters gilt es noch auszuharren. Gegessen
wird im Zelt, den im Freien ist es nicht gerade einladend. Wie an den ganz hohen
Bergen des Himalaja, so ist also auch hier eine ganze Menge Geduld mit an den
Tag zu legen, ehe man dem Aconcagua auf das Dach steigen kann...
Zunehmender Mond - Stabiles Wetter - Auf zum Gipfelsturm !
Nachdem sich der Sturm gelegt und das Wetter stabilisiert hatte,
brechen wir alle fünf im Basislager in Richtung Nido de Condores auf. Mit
Lebensmittel für drei Tage sowie Ausrüstung für die Einrichtung
des Hochlagern benötigen wir am 14. Februar etwa 5 Stunden, um in aller
Ruhe das Lager Nido de Condores in 5380 m Höhe zu erreichen. Wir bauen
unsere beiden SALEWA Sierra Leone in einer windgeschützten Ecke auf und
kochen auf unseren Gaskochern Tee und Suppe.
Am Abend tauschen wir erste
Gedanken über die weitere Taktik der Besteigung aus. Zwei Varianten stellen
sich als möglich heraus: Zum Einen könnten wir von diesem Ort aus zum
Gipfelsturm aufbrechen , zum Anderen ist es möglich, noch in das Lager
Berlin in 5800m Höhe aufzusteigen und dort zu lagern. Aufgrund unseres
Akklimatisationsstandes und der Erfahrungen am Berg entscheiden wir uns für
die erste Variante.
Da man binnen 90 Minuten bis ins Lager Berlin aufgestiegen
ist, scheint der Aufwand des Lagerabbaus und erneuten Lageraufbaus unverhältnismäßig
umfangreich. Die Nacht in 5800m ist bestimmt auch unangenehmer, als in 5380m.
Den 15. Februar verbringen wir aus diesem Grund in der Nähe des Nido de
Condores. Leichte Akklimatisationswanderungen füllen den Tag. Der 16.
Februar ist für den Gipfelsturm vorgesehen.
Gegen 3 Uhr morgens surren die
beiden Gaskocher, beginnt der Tag für unser Team. Um 5 Uhr verlassen wir
zum Gipfelsturm das Lager. Binnen 90 Minuten steigen wir gleichmäßigen
Schrittes bis zum Lagerplatz Berlin in 5800m Höhe auf. Nach einer kurzen
Rast, bei der wir unsere Stirnlampen wegpacken können, geht es weiter aufwärts.
Bei weiterhin starkem Wind und eisiger Kälte steigen wir im Schatten empor.
Die umliegenden Berge werden langsam durch Sonnenlicht bestrahlt. Am Horizont
zeigt sich der Schatten unseres Berges beeindruckend am Himmel. Hoffentlich
entkommen wir bald dem Schatten und erreichen wir die wärmenden Strahlen
der Sonne. Erst gegen 9.45 Uhr können wir uns der Sonne erfreuen. Wir sind
an der Hütte Indepedencia in ca. 6300m Höhe. Von einer Hütte zu
sprechen, verbietet sich von selbst, denn sie ist nicht einmal mehr als
Windschutz benutzbar, so zustört ist sie.
Leider mußte Matthias
bereits hier umkehren, seine Kraftreserve reichte nicht mehr aus. Allmählich
holen wir andere Bergsteiger ein, die vom Camp Berlin aus den Berg zu besteigen
versuchten. Der Berg scheint nun zum greifen Nahe. Der Wegverlauf geht jetzt
allerdings steiler und unbefestigter nach oben. Das lose Gestein und der lockere
Schotter machen uns zu schaffen. Zwei Schritt vor, einen zurück, man kommt
kaum vorwärts. Je näher wir dem Gipfel kommen, um so unwegsamer ist
der Aufstiegspfad. Nach zwei weiteren kleinen Rasten erreichen wir endlich den
Gipfelgrat, können eindrucksvolle Blicke in die atemberaubend steile
Aconcagua-Südwand werfen.
Gegen 14 Uhr ist es endlich soweit. Das monotone
Steigen hat ein Ende. Es geht nirgends mehr höher, es ist geschafft ! Der höchste
Punkt Amerikas ist erreicht. Wie durch ein Wunder ist auf dem Gipfel Windstille.
Etwa 20 Bergsteiger verschiedener Nationen befinden sich auf dem Gipfel. Eine
Vierergruppe steigt aus der Polenroute aus. Bei herrlichem Wetter und
wolkenlosem Himmel ist der Ausblick in die umliegende Bergwelt der Lohn für
unsere Mühe. Für alle anderen unserer auf vier Mann geschrumpften
Gipfelgruppe ist der Gipfelsieg ein neuer persönlicher Höhenrekord. Für
mich ist es nach dem Mount McKinley ( 1995 ) und dem Chimborazo ( 1994 ) bereits
der dritte Sechstausender auf dem Amerikanischen Kontinent. Höher geht es
in Amerika nicht !
Ganz Amerika liegt uns in diesen Momenten zu Füssen....
Nach einer halben Stunde auf dem Gipfel, beginnen wir mit dem Abstieg. Die
erste Stunde ist sehr nervig, über die Schrofen und lockeren Steine zu
steigen. Immer wieder ist höchste Vorsicht geboten, dass man nicht
abrutscht und hinfällt. Zum Glück liegt kein Neuschnee. Der würde
die Lage hier sicher noch verkomplizieren. Ab der verfallenen Hütte Independencia"
kommen wir schneller voran. Ein kleiner Trampelpfad vereinfacht das Gehen. Nach
2 Stunden bin ich in unserem Lager in 5380m Höhe und ruhe mich etwas aus.
Danach bereite ich, zusammen mit Matthias, der schon hier war, für die
anderen und für mich etwas zu trinken. Innerhalb der nächsten Stunde
treffen alle wieder in unserem Zeltlager ein. Es ist vollbracht. Da das Wetter
sehr schön ist und wir keine Lust auf weiteren Streß haben, beschließen
wir, erst am Folgetag weiter hinunter zu steigen. So können wir den
beeindruckenden Ausblick in die umliegenden Berge in der Abendsonne noch einmal
genießen. Eine letzte Nacht im Hochlager, ein letztes Mal Tütensuppe
auf dem Gaskocher im winzigen Hochlagerzelt...
Tags darauf steigen wir mit all
unserem Gepäck hinunter zum Basislager in 4250m. Das laufen im Schotter ist
noch einmal konzentrationsraubend und unangenehm. Doch der Blick in die
umliegenden Berge ist sehr schön. Nach 3 Stunden sind wir in unserem
Zeltlager angekommen. Endlich hat das Tragen des Rucksacks ein Ende. Raus aus
den Plastbergschuhen Rein in die Zeltstadtkneipe. Ein Bier und ein Steak
haben wir uns redlich verdient. Stolz auf unseren Gipfelsieg stoßen wir
voller Freude an. Es ist geschafft !
Auf nach Santiago de Chile, Auf in den warmen Sommer !
Da wir noch 2 Tage Reserve vorgesehen hatten, ist noch etwas Zeit
sich im Lagerumfeld umzusehen. Kerstin, Matthias und Klaus-Dieter machen sich
noch einmal auf den Weg, den etwas über 5000m hohen Corona zu erklimmen.
Jens bleibt im Basislager. Ich wandere den ganzen Tag durch die bizarren Türme
des Büßereisfeldes und des nahen Gletschers. Hier findet man die
skurrilsten Eisgebilde. Unglaublich. Fast den ganzen Tag bin ich dabei, mit
meiner Fotoausrüstung die tollsten Motive zu suchen. Es ist einfach
beeindruckend.
Nach den beiden letzten Tagen im Basislager haben wir alle nur
noch einen Wunsch Auf nach Santiago und hinein in den warmen Sommer der Südhalbkugel.
Schließlich müssen wir sehr bald wieder in den kalten Winter nach
Deutschland zurückfliegen. Binnen eines langen Wandertages erreichen wir
das etwa 45 km entfernte Dorf Puenta des Inka. Ein letzter Blick geht zurück
in die schon ferne Südwand des Aconcagua. Im Dorf beziehen wir ein Hotel,
duschen uns erstmals nach 2 Wochen wieder ausgiebig und genießen das
argentinische Steak in der kleinen Kneipe an der Ecke. Schön, das es das
Bier hier in Literflaschen gibt...
Am nächsten Morgen sitzen wir schon im
Bus und fahren in die chilenische Hauptstadt. Rasch lassen wir uns in einem
kleinen Hotel nieder und kleiden uns sommerlich. Das schlendern durch den Sommer
in der Hauptstadt macht richtig Spaß. Es ist einfach herrlich warm. Daher
beschließen wir, schnell noch den letzten Tag vor der Rückreise nach
Deutschland zu einem Badeausflug an den Pazifik zu nutzen. Bald darauf sitzen
wir schon wieder im Flugzeug und sind auf dem Weg nach Dresden, in dem uns der
Winter erwartet...
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