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Tienschan 1991 - Chan Tengri 6995

Expeditionsbericht

Die Expeditionsmannschaft

Jan Wohlbold, Jens Webersinn, Markus Walter,Christian Walter

Expeditionsverlauf
Sa 20.7. Früh treffen wir uns bei Christian in der Gagarinstraße und gehen von dort gemeinsam zum Hauptbahnhof. Gegen 14 Uhr kommen wir auf dem Prager Hauptbahnhof an. Dort wartet in der Gepäckaufbewahrung schon ein großer Freßsack, den Jan und Christian am Montag dort deponiert haben. Die bis zur Abfahrt des Moskauer Zuges noch verbleibende Zeit nutzen erst Christian und Markus, danach Jan und Jens zu einem kurzen Stadtbummel. 18.53 geht es los in Richtung Moskau. Wir beziehen unser 4- Mann-Schlafwagenabteil, was wegen der Riesenrucksäcke gar nicht so einfach ist, da alles erst mal verstaut sein will.

So 21.7. Ohne Probleme geht es über die Grenze. Von 8 bis 10 Uhr werden in Tschop unsere Wagen auf Breitspur umgesetzt. Bis Moskau sind es nur noch 1776 km. Wir fahren durch Lwow (15.35 Uhr) und Ternopol (17.50) und vertreiben uns die Zeit mit Kartenspielen.

Mo 22.7. Nachts geht es durch Kiew, doch wir schlafen lieber. Weiter dann über Brjansk und Kaluga nach Moskau. 15.10 Ankunft auf dem Kiewer Bahnhof, Ullrike erwartet uns schon. Wir fahren mit Metro und Bus zu ihrem Wohnheim, deponieren dort unser Gepäck und begeben uns noch einmal ins Zentrum, essen bei McDonalds, gehen über den Gorki-Prospekt und den Roten Platz und fahren schließlich zurück ins Wohnheim. Ullrike hat dort ein Zimmer für uns besorgt.

Di 23.7. Nach dem Frühstück wagen Jens, Max und Christian einen Einkaufsbummel in ein nahegelegenes Magazin, sie erstehen Brot, Milch und Rosinen, viel mehr gab es aber dann schon nicht. Gegen 12 Uhr begleiten wir Ullrike zum Belorussischen Bahnhof, sie fährt zurück nach Deutschland. Wir bummeln noch ein bißchen durch Moskau und fahren dann zurück zum Wohnheim, essen und duschen dort noch einmal. Danach geht es zum Kasaner Bahnhof, pünktlich 23.02 Uhr fährt unser Zug dort ab.
Der Schlafwagenschaffner findet uns Deutsche sehr interessant und bietet uns gleich ein paar Geschäfte an. Von Schnaps über Mädchen bis hin zum Stoff ist alles dabei, doch wir lehnen ab. Er jedoch möchte für seine Frau unbedingt Haarshampoo, würde es auch in Dollar bezahlen. Nach einigem Betteln geben wir ihm ein winziges Fläschchen, wir selbst haben nur 2 davon.
Nachdem er gegangen ist lernen wir noch andere Mitreisende und Bahnbedienstete kennen: Mars, den Chef der Elektro- und Klimaanlage, Talant, er spricht ganz gut Deutsch und arbeitet in Bischkek im Außenministerium Kirgistans, sowie seinen Freund. Spät gehen wir dann zu Bett.

Mi 24.7. Aufstehen zwischen 10 und 11, frühstücken, Skat spielen und aus dem Fenster schauen, viel mehr passiert an diesem Tag nicht, während wir durch Pensa, über die Wolga und weiter durch Kuibischew und Orenburg fahren. Am späten Abend erreichen wir Aktjubinsk und sind somit in Asien. Wir unterhalten uns eine ganze Weile mit Talant, er hat große Pläne für die Zukunft, doch uns erscheint einiges davon recht unrealistisch.

Do 25.7. Wir fahren durch die kasachische Steppe. Ein Blick aus dem Fenster genügt und man hat für Stunden alles wichtige gesehen: flache Steppe und elektrische Leitungsmasten. In großen Abständen fahren wir durch winzige Ortschaften: flache Lehmhäuser mit Kochstellen vor dem Haus, Kamele, Kühe, Schafe und Ziegen, ein Brunnen, manchmal ein Traktor, Menschen, die sich gerade ausruhen, ein moslemischer Friedhof und ringsherum weit und breit nichts. Die Lufttemperatur beträgt 40°C, die Klimaanlage macht daraus im Abteil 35 °C.

Fr 26.7. Immer noch Steppe. Jedoch werden die Ortschaften häufiger und auch Grün sieht man ab und zu, wir fahren in der Nähe der Syr-Darja entlang. Die Temperatur ist auf 42°C gestiegen. Unsere Fahrt geht durch Kysyl Orda, Tschimkent und Dschambul, Barackenstädte mit zigtausend Bewohnern.

Sa 27.7. 6 Uhr kommen wir in Bischkek (ehemals Frunse) an. Talant will uns helfen, Rückfahrkarten zu besorgen und so warten wir, bis er gegen 9 zurück kommt. Er fährt dann gemeinsam mit Christian zum Aeroflot Büro: Ausländerschalter geschlossen und zu Intourist: am Wochenende zu. Die Eisenbahn verkauft Fahrscheine nur 30 Tage im Voraus, Geld wird am Wochenende auch nicht getauscht - entmutigend. Talant verspricht uns, sich zu kümmern und so fahren wir gemeinsam mit ihm zum Busbahnhof. Dort sagte man uns nach einer Stunde Wartezeit, daß heute kein Bus mehr da sei und somit auch keiner nach Prschewalsk fahren könne. Mit Talants Hilfe chartern wir für 20 Dollar ein Taxi für die 450 km nach Prschewalsk. Der vollgestopfete Lada brauchte für diese Strecke bei reichlich schlechten Straßen immerhin nur 5 Stunden. Auf dem Prschewalsker Busbahnhof treffen wir 4 Bergsteiger aus Murmansk mit ähnlichen Zielen. Wir übernachten gemeinsam mit ihnen dort.

So 28.7. 5.30 Uhr stehen wir auf, um, gemeinsam mit den Murmanskern, die ersten am Fahrkartenschalter zu sein. Max und Jens besuchen den Basar und bringen Tomaten und Pfirsiche mit. Bald stellt sich heraus das der Bus heute nicht fahren wird, es ist schließlich Sonntag und da arbeitet kein Mensch.
Inzwischen sind noch einige Bergsteigergruppen dazugekommen. Sie alle warten darauf, daß irgendetwas nach Inyltschek fährt, aber sonntags scheint das aussichtslos zu sein. Gegen 9 taucht eine Madam mit Baseballmütze auf, weist sich als Vertreterin einer Agentur aus, die die Besteigungsgebühren im Tienschan kassiert, und sammelt von jeder Gruppe einen Vertreter ein. Von uns geht Christian mit. Wir werden registriert.
Auf einer Tip der Murmansker geben wir an, nur zum Wandern, Fotografieren... im Tal, hier zu sein. Das kostet uns 5 Dollar pro Person, wir zahlen zu viert 30 DM (für den Chan Tengri wären es 100 Dollar pro Person gewesen). Danach wird für uns noch eine Marschroute festgelegt, die wir einzuhalten haben. Christian läßt das alles 3 Stunden lang über sich ergehen, dann darf er endlich gehen. Auf dem Busbahnhof hat sich inzwischen noch nichts getan und so warten wir noch bis zum Abend dort. Diesmal schlafen wir draußen unter dem Vordach des Busbahnhofes.

Mo 29.7. Wir stehen 5 Uhr auf, Max stellt sich wieder am Fahrkartenschalter an, Jens und Christian versuchen wieder im Ort ein Auto zu chartern - beides erfolglos.
7.30 Uhr ging es dann plötzlich los. Keiner konnte sagen woher, aber alle wußten, daß um 8 am Flugplatz ein LKW abfahren würde. Also Sprint zum übervollen Stadtbus und ab zum Flugplatz. Dort warteten schon ca. 30 Kletterer, doch in den beiden LKW, die bald darauf bei uns halten, finden alle einen Platz.
Es folgt eine beeindruckende, ca. fünfstündige Fahrt durchs Gebirge, vorbei an Hirtensiedlungen, Jurten und Viehherden, durch reizvoll grüne und durch felsig-schroffe Täler, über einen 3800 m hohen Paß bis ins Inyltschektal. Bei Maid Adyr, einem befestigten Grenzposten nach China, ist die Fahrt über die holprige Piste zu Ende. Wir laden ab, gönnen uns eine Pause und beschauen den Inyltschekfluß. Wir schätzen seine Wassermassen denen der Elbe bei Schmilka ebenbürtig.
Da wir am Grenzposten nichts riskieren wollen (die notwendige Genehmigung zum Aufenthalt im Grenzgebiet haben wir nicht), warten wir bis sich die ersten Russen auf den Weg machen und schließen uns ihnen an. Es sind Ilnara, Sergej und Kolja aus Ischewsk. Wir laufen noch 2 Stunden im Inyltschektal entlang und schlagen dann unser Nachtlager auf.

Di 30.7. Gegen 5 Uhr stehen wir auf, frühstücken und machen uns 6.30 Uhr wieder auf den Weg. Wir gehen über Wiesen voll Edelweis, die Sonne scheint und es ist wunderschön warm. Die 45 kg schweren schweren Rucksäcke (bei knapp 60 kg Körpergewicht) zwingen uns von Zeit zu Zeit zu einer Pause. Mittag kochen wir gemeinsam mit den Ischewskern auf einem Holzfeuer um Benzin zu sparen. Die Natur um uns herum ist beeindruckend, wir genießen sie in vollen Zügen.
Gegen Nachmittag kommt Sturm auf und bringt dunkle Wolken zu uns. Der Gletscherfluß "Am-Dschailoo" versperrt uns den Weg, seine Überquerung mit Seilhilfe kostet uns viel Kraft. Jeder bekommt seinen Teil vom eiskalten Wasser ab, doch unsere Ausrüstung bekommen wir trocken hinüber. Drüben erwarten uns die Ischewsker mit heißem Tee, wir sind Ihnen sehr dankbar dafür. Durchgefroren und erschöpft bauen wir unsere Zelte auf gehen bald daruf ins Bett.

Mi 31.7. Obwohl die Luft hier sehr trocken ist, sind nicht alle unserer Sachen über Nacht getrocknet. So müssen wir noch ein bißchen warten, während sich Sergej und seine Begleiter schon auf den Weg machen. Wir packen unsere Rucksäcke völlig neu und gehen dann 10.30 Uhr los.
Den ganzen Tag laufen wir das breite Inyltschektal aufwärts, ab und zu müssen wir einen kleineren Fluß überqueren, meist gehen wir barfuß durchs kalte Wasser. Gegen Mittag kommt wieder Sturm auf, heute regnet es wesentlich heftiger als gestern und so verkriechen wir uns in die Plastesäcke, die eigentlich die Rucksäcke schützen sollten. Als sich Regen und Sturm verzogen haben geht es weiter. Die Rucksäcke scheinen immer schwerer zu werden.
Endlich sehen wir das Gletschertor. Eine Wette zwischen Jens und Max, in welcher Zeit man das Tor erreichen könnte veranlaßt uns, das Tempo noch einmal deutlich zu steigern. Doch wir können das Tor überhaupt nicht erreichen, der reißende Inyltschekfuß versperrt uns den Weg. Wir gehen noch ein Stück zum Biwak Nansen und schlagen dort unsere Zelte auf. Über uns glänzt die gewaltige Nordwand des Pik Nansen im Abendlicht.

Do 1.8. 5.30 Uhr stehen wir auf. Um auf den Gletscher zu gelangen müssen wir von 3200 m (Biwak Nansen) über einen 3850 m hohen Felsrücken steigen. Zuerst geht es eine steile Rinne nach oben, dann weiter über einen steilen Grashang. Wir queren ein großes Schuttfeld und einen weiteren Grashang. Unter uns sehen wir schon den riesigen Gletscher. Für den folgenden steilen Abstieg gibt es mehrere Varianten, wir entscheiden uns für eine Steilrinne, die mit Steinmännern markiert ist, Jens wählt eine andere, etwas oberhalb gelegene. Unten treffen wir wieder zusammen um gemeinsam den nächsten Anstieg anzugehen.
Über ein Schuttfeld geht es über den nächsten Rücken. Danach wird der Wegverlauf unklar und wir entscheiden uns, auch angesichts der schon recht fortgeschrittenen Zeit, für den Abstieg auf einem schmalen Schuttrücken. Es regnet und die Steine werden recht glitschig, das kostet uns zusätzliche Anstrengungen. Es ist schon dunkel, als wir ziehmlich K.O. das Tal erreichen. Wir schlagen unser Zelt direkt neben dem Gletschertor auf und gehen bald darauf zu Bett.

Fr 2.8. Wir stehen gegen 6 Uhr auf und beginnen nach dem Frühstück mit dem Marsch über den Gletscher. Vom Gletschereis ist keine Spur zu sehen, der Gletscher ist meterhoch mit Schutt bedeckt. Der Gletscher ist sehr zerklüftet, das Vorwärtskommen dadurch sehr mühselig, immer wieder müssen große Umwege wählen. So kommen wir am ganzen Tag nur ca. 10 km voran, laufen dabei aber bestimmt 20 km weit. 16.30 Uhr erreichen wir die Einmündung des Putevodnoi-Gletschers und schlagen dort unser Nachtlager auf.
Christian erkundet noch 2 Stunden lang den Weiterweg auf diesem Gletscher und baut einige Steinmänner zur Wegmarkierung. Max und Jan führen inzwischen eine Revision der Lebensmittelvorräte durch und wählen gemeinsam mit Jens die Ausrüstung für die nächsten vier Tage aus. Der Pik Nansen ist unser Ziel, wir wollen ihn über seinen Südgrat besteigen. Als Christian zurückkommt, essen wir Abendbrot und gehen dann bald zu Bett.

Sa 3.8. 5 Uhr stehen wir auf. Hier ist es schon recht kühl, das Wasserloch ist zugefroren. Wir verstauen alle Dinge, die zurückbleiben sollen in einem Zelt und gehen kurz vor 7 in Richtung Nansensattel los. Mit Hilfe von Christians Steinmännern kommen wir im Gletscherlabyrinth recht zügig voran. Nach einer Stunde teilt sich der Gletscher und wir erblicken den Eisbruch, dessen Überwindung uns heute noch bevorsteht.
Unser Weg in der Randkluft erweist sich bald als ungangbar und wir müssen ein ganzes Stück zurück. So büßen wir etwa eine Stunde ein. Auf der Mittelmoräne gelangen wir dann bis zum Eisbruch. Vor uns baut sich ein heilloses Durcheinander aus Eis und Schutt auf. Gemeinsam wählen wir eine Route aus, die von unten gangbar erscheint. Wir kommen besser voran, als gedacht, nur manchmal machen uns kleine Wasserläufe und lockere Steine zu schaffen.
Nach dem Bruch wird der Gletscher eben und vor uns taucht eine gewaltige Eisflanke auf. Steil ragt sie 300 m über dem Talende auf. Für heute kein Thema mehr. In sicherem Abstand vom Wandfuß in 4600 m Höhe bauen wir unser Zelt auf. Wir gehen zeitig ins Bett, wollen morgen fit sein für die Flanke.

So 4.8. Nachts rüttelt der Sturm am Zelt, es schneit. Jens kämpft sich 2 mal nach draußen, um das Zelt fester zu verspannen, doch es hilft nicht viel, der Sturm drückt das Außen- ans Innenzelt und so werden die Schlafsäcke von Jens und Christian etwas naß. Es ist auch verdammt eng zu viert im Zelt. 7 Uhr stehen wir auf, es liegen 20 cm Neuschnee, die Flanke hat sich in frisches Weiß gehüllt und wartet nur darauf, eine Lawine loszuschicken.
Wir bleiben am Zelt, vertreiben uns die Zeit mit dem Bau einer Schneemauer ringsherum und beobachten aus sicherem Abstand die Lawinen, die jetzt überall um uns herum abgehen. 18 Uhr gehen wir dann ins Bett, tauschen aber der Gerechtigkeit halber die Schlafplätze.

Mo 5.8. Der Wind treibt den lockeren Schnee ans Zelt und wir denken, daß es wieder schneit, also schauen wir erst um 6 aus dem Zelt: wunderbares Wetter. Schnell wird Frühstück gemacht, das notwendigste eingepackt und los geht es. Zügig erreichen wir den Wandfuß, legen dort das Seil an und beginnen gegen 7.30 Uhr mit dem Aufstieg.
Der Neuschnee ist zum Teil liegengeblieben und so sinken wir tief ein. Er ist naß und schwer, das Spuren wird zum Kraftakt und deshalb wechseln wir uns beim Spuren öfters ab. Nach vier Stunden erreichen wir den Sattel, werfen die Rucksäcke in den Schnee und genießen den herrlichen Rundblick. Ringsherum nur schneebedeckte Berge, endlose Weite. Ein Berg ganz hinten am Horizont hebt sich deutlich von allen anderen ab. Stolz ragt der Chan Tengri in den Himmel. 4900 m sind wir jetzt hoch, 800 m fehlen noch bis zum Nansen, Über 2000 noch bis zum Chan Tengri. Es ist sehr stürmig hier, so daß niemand Lust auf eine längere Pause hat, doch wohin gehen wir jetzt?
Rechts versperrt uns ein Gendarm den Weg zum Pik Nansen, dahinter erkennen wir einen überwächteten Firngrat, der in eine steile und zerklüftete, teilweise senkrechte Eiswand übergeht. Wir zögern, überwinden dann doch den Gendarm und mustern vom Beginn des Wächtengrates noch einmal die Wand. Drohend überhängende Eisbalkone, Lawinenspuren, glatte Felspartien... Nein, das Risiko ist uns zu groß, wir kehren um - Schade zwar, aber nicht zu ändern.
Auf der anderen Seite des Sattels erhebt sich ein flacher Gipfel, ca. 5050 m hoch. Seine Besteigung bereitet keine großen Schwierigkeiten. Oben angekommen entdecken wir einen Iglu, hier hat also schon jemand übernachtet. Bis zum Dunkelwerden sind es zwar noch ein paar Stunden, trotzdem beschließen wir hier zu bleiben und die Nacht hier oben zur Akklimatisation zu nutzen. Da man zu viert im Iglu die Nacht nur sitzend verbringen könnte, graben sich Max und Christian eine Scheehöhle. Abendessen gibt es im Iglu, den Jan und Jens inzwischen etwas ausgebaut haben. Christian und Max verkriechen sich dann in ihrer Höhle, Jan und Jens machen es sich im Iglu bequem.

Di 6.8. Nach dem Frühstück im Iglu beginnen wir 7.45 Uhr mit dem Abstieg. Die Sonne weicht den Schnee auf und sinken wir bei jedem Schritt 20 cm ein. Doch oft wechselt der Schnee mit Blankeisfeldern, die wir in Frontalzackentechnik überwinden müssen. Wegen der Abrutschgefahr und der damit verbundenen Gefahr von Mitreißunfällen gehen wir unangeseilt und halten uns weiter am Rand, als beim Aufstieg. Plötzlich ein dumpfer Schlag, ein lauter Fluch und wir sind nur noch zu dritt in dieser Wand.
Jan ist in eine zugeschneite Spalte gebrochen, doch geistesgegenwärtig hat er noch seine Pickelspitze in die Eiswand gehauen. Nun hängt er am Eispickel in einer anderthalb Meter breiten und vier Meter tiefen Spalte. Jens, der eben noch über diese Spalte gegangen ist, wirft ihm eine Schlinge zu, mit der sich Jan dann aus seiner mißlichen Lage befreit. Das ist ja gerade noch einmal gut gegangen, doch noch einmal wollen wir das nicht riskieren und so holen wir doch die Seile aus den Rucksäcken und sichern uns gewissenhaft.
Jeder von uns tappt noch einige Male mit einem Bein ins Nichts, bevor wir wieder im ebenen Gelände ankommen. Dort wartet auch schon unser Zelt auf uns. Da wir heute noch bis zum Inyltschekgletscher absteigen wollen, bauen wir schnell das Zelt ab, stärken uns mit eine Tafel Schokolade und setzen unseren Weg ins Tal fort.
Der Gletscherbruch bereitet uns diesmal weniger Schwierigkeiten, da wir den Weg durchs Labyrinth nun kennen. Wir erreichen die große Moräne und auf ihr geht es dann zügig voran. Das letzte Wegstück auf dem Putevodnoi-Gletscher zieht sich dann noch einmal mächtig in die Länge. 17.30 Uhr erreichen wir unser "Basislager". Wir veranstalten ein "Festessen" mir einem großen Topf Spaghetti, 20.00 Uhr geht es dann ins Bett.

Mi 7.8. Pünktlich 5.30 Uhr stehen wir wieder auf, doch da alles neu eingepackt werden muß, zögert sich der Abmarsch bis um 9 heraus. Wir versuchen, auf die Randkluft des Gletschers zuzuhalten, werden aber durch etliche Spalten zu größeren Umwegen gezwungen. Endlich erreichen wir die Randkluft und entdecken einen durch Steinmänner markierten Pfad. Dieser führt uns zunächst durch steile Schuttfelder, in denen wir uns recht unbehaglich fühlen, doch nach einer Stunde bessert sich der Weg deutlich und wir kommen recht zügig voran.
Gegen 14.00 Uhr beginnt es zu nieseln. Kurz darauf treffen wir 2 Schotten, sie erzählen uns von ihrem Camp auf der Merzbacher-Lichtung, daß ihrer Meinung nach gar nicht mehr weit sein kann. Doch erst 16 Uhr erreichen wir das Lager.
Zu unserer großen Verwunderung ruft man uns schon von weitem zu: "Christian! Max! Come to me!". Es ist Sergej aus Ischewsk, der mit seinen Freunden auch gerade hier angekommen ist. Erstmal gibt es heißen Tee für uns und danach bauen wir gemeinsam unsere Zelte auf.
Der Nieselregen hat aufgehört - jetzt regnet es richtig. So stopfen wir uns zum Abendbrot zu neunt ins Zelt der Ischewsker. Es gibt russische Gemüsesuppe und deutsche Schokolade, dazu Tee und einen kleinen Schluck zum Anstoßen. Trotz der Enge wird es recht gemütlich im Zelt. Wir plaudern über das bisher erreichte und beschließen dann, den Chan Tengri gemeinsamzu versuchen.
Die Ischewsker hatten bereits mit den russischen Reiseleitern der Schotten vereinbart, das Teile ihrer Ausrüstung übermorgen gemeinsam mit dem Gepäck der Schotten dem Chan Tengri ein Stück entgegengeflogen werden. Auch wir können etwas mitgeben, worüber sich besonders unsere gemarterten Rücken freuen. Damit ergibt sich für uns ein Ruhetag und sogleich beschließen wir, ihn für einen Besuch des Merzbacher- Sees zu nutzen. Spät gehen wir diesmal zu Bett.

Do 8.8. Heute lassen wir uns etwas Zeit mit dem Aufstehen, es ist schließlich Ruhetag. Nach dem Müsli-Frühstück stürzen sich Jens und Max auf ihre Gamaschen, um sie zu reparieren und Christian flickt seine Überhose. Gegen 11 wird zum Aufbruch Richtung Merzbacher-See gelassen. Jens versucht noch mehrmals mit Thesen wie "Nur noch 10 Minuten, dann bin ich fertig" den Abmarsch hinauszuzögern, doch dann geht es los.
Nur mit Eispickel und Fotoapparat bewaffnet springen wir vergnügt über Gletscherspalten, die für uns mit Rucksack fast unpassierbar gewesen wären. Der See war, so wie in jedem Jahr, Ende Juli ausgelaufen. Jetzt stapelten sich die Eisberge auf seinem Grund, nur an wenigen Stellen schimmert noch das blaue Wasser. Leider kommen wir nicht ganz bis an den See heran, sein Ufer besteht nur aus aufgetürmten Eisbergen. Da das Wetter recht unfreundlich ist, halten wir uns nicht lange am See auf und gehen zurück.
Den Rest des Nachmittags verbringen wir mit weiteren Reperaturen und dem Verpacken unseres "Fluggepäcks". Zum Abendbrot veranstalten wir eine Freßfete und tafeln dazu die besten Dinge auf, die wir finden können. Ilnara und Serjosha haben von den Schotten frisches Gemüse und unheimlich harte Pfefferkuchen besorgt. Diese Pfefferkuchen erhalten von uns sogleich den Namen "Eisbeilkuchen", weil man sie eigentlich nur mit dem Eisbeil kleinhacken kann. Es wird noch ein lustiger Abend, bevor wir gegen 20.30 Uhr zu Bett gehen.

Fr 9.8. 5.00 Uhr stehen wir auf. Wir beeilen uns mit dem Einpacken der Dinge, die der Hubschrauber transportieren soll. Auf den Marsch nehmen wir nur ein Zelt, Schlafsäcke, Isomatten und etwas Proviant mit. Wir sind als erste fertig, doch der Hubschrauber läßt lange auf sich warten. Die Begleiter der Schotten werden unsere Sachen einladen und so können wir schon loslaufen.
Beim Laufen diktiert Sergej ein strenges Regime: 45 Minute laufen, 10 Minuten Pause. Nach 4 solchen Etappen ist Mittagspause. Es gibt einige Schwierigkeiten, da wir nur unsere Schokoladenrationen haben und sonst nichts, die Ischewsker uns jedoch wieder von ihrer Suppe anbieten.
Uns ist es unangenehm uns ständig bei ihnen durchzufressen, doch unsere Vorräte sind zum teilen denkbar ungeeignet, alle Portionen sind für genau 4 Esser vorgesehen. Sergej und seine Freunde jedoch können nicht verstehen, warum wir ihre Suppe nicht möchten. Nach einigem hin und her essen wir doch von der Suppe und handeln eine Kompromiß aus: Beide Mannschaften sind jeweils abwechselnd für Frühstück und Abendbrot verantwortlich und schmeißen dazu 2 Tagesrationen zusammen. Zu Mittag gibt es stets Suppe mit Schokolade.

Nach dem Essen legen wir uns ein bischen in die Sonne, die Mittagspause dauert insgesamt 2 Stunden. Danach sind es nur noch 2 45-Minuten-Etappen bis zu unserem Tagesziel, der Einmündung des Komsomolzengletschers in den südlichen Inyltschek. Unsere Luftfracht ist schon angekommen, doch vor dem Zeltaufbau auf der Mittelmoräne sind wegen des unebenen Untergrundes noch einige Erdarbeiten notwendig. Heute bereiten wir das Abendbrot und es gibt Kartoffelbrei mit Schinkenspeck, was den Ischewskern sehr zusagt. Schnefall verscheucht uns ins Zelt der Ischewsker, dort schwatzen wir dann noch eine ganze Weile, bevor wir gegen 20 Uhr zu Bett gehen.

Sa 10.8. Heute steht die letzte große Laufetappe auf dem Plan, deshalb heißt es für Christian und Max 5.00 Uhr aufstehen und kochen. Das Frühstück besteht wie üblich aus Müsli. Als das Essen fertig war standen auch alle anderen auf und es ging ans futtern, danach wurde zügig abgebaut und eingepackt. Beim Laufen wurde der 45-Minuten Rhythmus wieder streng eingehalten. Zunächst halten wir uns auf der hügeligen Mittelmoräne, dann wechseln wir über mehrere Bäche nach links auf das ebene Eis. Dort läuft es sich wesentlich besser und so wird die letzte Pause gleich eingespart. Doch unmittelbar vor den Internationalen Alpinistenlager (MAZ) "Tien Shan" zwingen uns Spalten und die 30m Steilstufe der Randmoräne, auf der das Zeltlager errichtet ist, noch einmal zu einer Rast. Endlich oben angekommen müssen wir feststellen, das die guten Plätze bereits von Russen, Deutschen, \sterreichern, Polen, Schweden... besetzt waren. Wir bauen unsere 4 Zelte etwas unterhalb des Lagers auf, bereiten das Abendessen und gehen zu Bett.

So 11.8. Nach dem späten Aufstehen wird das Material für den Chan Tengri gepackt, jedes Stück wird sorgfältig ausgewählt: Proviant für 9 Tage, Klettermaterial, viel warmes zum Anziehen. Beim Mittagessen erfahren wir, daß uns nur Witja und Sergej begleiten werden. 15 Uhr starten wir dann, das Macpac-Zelt bleibt im MAZ stehen. Jan und Christian gehen auf Chan Tengri-Fotojagd, die anderen 4 wählen den direkten Weg. Am Fuße des Berges treffen wir wieder zusammen, schlagen die Zelte auf und gehen bald ins Bett.

Mo 12.8. Schon 3 Uhr klingelt der Wecker, draußen ist es eiskalt, so kochen und frühstücken wir gemeinsam im Zelt der Ischewsker. Danach wird zügig abgebaut und eingepackt. 4.45 Uhr brechen Jan und Witja auf, 5.00 Uhr Max und Sergej und kurz darauf Jens und Christian. Zunächst leicht ansteigend, dann steiler, teilweise über Spalten und durch leichtes Bruchgelände geht es auf dem Semenowgletscher nach oben. Jan und Witja sind nicht einzuholen, erst als sie auf ca. 5700 m mit frischem Tee den Rest erwarten, treffen wir wieder zusammen.
Dort gönnen wir uns eine lange und erholsame Pause, trotzdem bringen uns anschließend die letzten 200 Höhenmeter noch einmal ganz schön zum Schnaufen. Gegen 16.30 Uhr erreichen wir einige Scheehöhlen, die unterhalb des Sattels in den Hang gegraben wurden. Wir entdecken eine leerstehende, recht geräumige H öhle und beziehen sie, das erspart uns eine ganze Menge Arbeit.

Ein Bergsteiger, der bereits auf dem Gipfel war, besucht uns in unserer Höhle und wir entlocken ihm noch einige Tips. Er rät, den Gipfel mit Minimalgepäck an einem einzigen Tag zu überrennen. Sergej und Witja entscheiden sich sofort für diese Variante und auch wir finden Gefallen an ihr, werden es morgen so versuchen. Also wird für jeden ein Freßpaket aus 4 Riegeln, Schokolade und Trockenfrüchten gepackt. Steigklemmen, Gurte und warme Sachen werden noch vorbereitet, bevor wir in unsere Schlafsäcke kriechen.

Di 13.8. Christian berichtet: In der Nacht bekomme ich kein Auge zu. Überall tropft es in unserer Schneehöhle. Ich drehe und wende mich, um dem Wasser zu entkommen - erfolglos. Ein paar Mal gelingt es mir, für ein paar Minuten einzunicken. Die Nacht muß doch bald zu Ende sein! Endlich piepst der Wecker, es ist 3 Uhr. Wir schlüpfen aus unseren feuchten Schlafsäcken und schmelzen Schnee. Jens bleibt gleich liegen, er hat Kopfschmerzen, fühlt sich heute dem Gipfel nicht gewachsen.
Witja wagt als Erster einen Blick nach draußen: Schneesturm. Wir werden es trotzdem wagen. Markus allerdings kriecht wieder in seinen Schlafsack zurück, auch er hat Kopfschmerzen und hofft auf morgen. Wir vermummen uns in unseren wärmsten Sachen, legen Klettergurte und Steigeisen an, in der engen Höhle wird selbst das zur Anstrengung.
Witja hat es als erster geschafft, gegen 4.30 Uhr macht er sich auf den Weg. Bald folgt ihm Serjoscha und dann starten auch wir.
1100 Höhenmeter liegen vor uns, kombiniertes Gelände bis zum 3.Grad. Erst geht es durch steilen Firn bis auf den Grat. Dort faucht uns der Sturm fürchterlich ins Gesicht, es ist eiskalt, Schneekristalle brennen auf der Haut. Schon nach fünfzig Metern mache ich halt und hole meine Gesichtsmaske aus dem Rucksack, an sie hatte ich beim Anziehen überhaupt nicht gedacht. Jan folgt meinem Beispiel.
Gemeinsam stapfen wir weiter durch den frischen Schnee. Langsam wird es hell und der Grat wird steiler. 6100 Meter - 3 Zelte stehen einsam auf dem schmalen Grat, ihre Bewohner schlafen scheinbar noch, verständlich bei diesem Wetter. Der Sturm reißt mir die Mütze vom Kopf, sie verschwindet gemeinsam mit meiner Schneebrille in der Tiefe.
Als ich das erste Fixseil erreiche, schaue ich mich um: Jan ist ein ganzes Stück hinter mir zurückgeblieben. Das Klettergelände ist zunächst recht einfach und so hänge ich nur ab und zu einen Karabiner ins Seil. Das spart viel Zeit gegenüber einer Steigklemme, außerdem habe ich sowieso kein rechtes Vertrauen zu den Fixseilen, oftmals ist der Mantel schon durchgescheuert und die Befestigung sieht auch recht abenteuerlich aus. So vertraue ich lieber auf meine eigenen Hände und Füße, ich fühle mich wunderbar in Form.
Als ich Sergej erreiche, bedeutet er mir, vorbeizusteigen. Zwischen 6300 und 6400 stehen noch einmal ein paar Zelte, auch von Ihren Bewohnern keine Spur. Zügig und ohne jede Pause klettere ich weiter. Mir kommt das alles schon wie eine Ewigkeit vor: höher, höher, immer nur höher. Ich habe jedes Zeitgefühl verloren, doch auf die Uhr will ich nicht schauen, ich müßte dazu stehenbleiben, würde meinen Rhythmus verlieren. So klettere ich immer weiter, die letzten Zweifel sind verschwunden und das verschafft mir zusätzlichen Auftrieb. Mit dem Atmen habe ich keinerlei Probleme, so daß ich mich voll aufs Klettern konzentrieren kann. Witja klettert vor mir, sein Vorsprung ist deutlich geschrumpft, hinter mir ist niemand zu sehen.
Wir klettern im Schatten und so ist es immer noch furchtbar kalt. Meine selbstgenähten Handschuhe bewähren sich vorzüglich, doch meine Füße sind eiskalt. Auf 6700 m Höhe schwindet das Gefühl aus den Zehen. Jetzt nur keinen Fehler machen! Auf einer kleinen Plattform direkt auf dem Grat mache ich halt, ziehe ich die Schuhe aus und versuche, meine Zehen wieder warm zu kneten. Erst im Februar hatte ich mir die Füße erfroren, ein zweites Mal wollte ich mir das ersparen. Es dauert 20 Minuten, bis ich den Erfolg meiner Bemühungen spüre. Noch einmal Glück gehabt sage ich mir und mache mich wieder auf den Weg.
Da erreicht ein anderer Bergsteiger meinen Platz, auch er legt dort eine Pause ein. Vor mir beginnt eine verschneite Steilrinne. Sie ist versichert, doch ich verzichte auf die Steigklemme, schwöre auf meine Steigeisen. Die Rinne kostet Kraft, auch weil ich jetzt Schuhe und Steigeisen etwas lockerer geschnürt habe. Nach der Rinne folgt ein kurzer Firngrat und danach noch einmal ein kurzes senkrechtes Wandstück. Das Atmen fällt mir immer noch relativ leicht, doch mein Kletterrhythmus ist durch die Pause gestört.
Nach der Wand beginnt das Gipfelschneefeld, 100 Meter trennen mich nur noch vom Gipfel, aber erst ist noch einmal eine Pause fällig. Witja hat den Gipfel schon erreicht. Ich warte auf den Bergsteiger hinter mir, gemeinsam steigen wird dann bis zum Gipfel auf.
Oben scheint die Sonne, aber der Wind, der zwischenzeitlich etwas nachgelassen hatte, heult wieder fürchterlich. Wir setzen uns zu dritt hinter einen Stein und teilen unsere Vorräte. Es ist dreiviertel elf, wir haben also noch ausreichend Zeit für den Abstieg, doch die Kälte treibt uns recht bald vom Gipfel. Schnell noch ein paar Fotos gemacht und dann steigen wir wieder ab.
Unterwegs begegnen uns einige Bergsteiger, auch Jan ist dabei. Ich gebe ihm meine noch halbvolle Thermosflasche zusammen mit ein paar aufmunternden Worten mit auf den Weg und steige dann weiter ab. Jetzt scheint die Sonne auf unsere Seite und ich trauere meiner Brille nach. Auf 6400 m fällt mir plötzlich das linke Steigeisen vom Fuß, zwei Schrauben habe ich unterwegs verloren. So muß ich nun nur mit einem Eisen auskommen, es geht mehr schlecht als recht, kostet viel Kraft und Zeit. Auch meine Augen versagen mir langsam den Dienst, die Sonne brennt jetzt erbarmungslos.
Der Grat wird flacher, doch er will einfach kein Ende nehmen. Da, endlich das Seil, was zu unserer Höhle hinabführt. Ich hangle mich daran herunter, werde unten schon erwartet. Man gratuliert mir, aber ich kann nicht einmal mehr die Gesichter erkennen. Es ist dreiviertel vier. An der Hand meines Bruders tappe ich in die Höhle, verschwinde bald darauf in meinem Schlafsack.
Aber auch Jens und Markus sind nicht untätig an diesem Tag. Gegen 9 Uhr stehen sie dann doch auf, um den Petka(6200m), einen Ausläufer des Pik Tschapajew, zu besteigen. Über einen stark überwächteten Grat erreichen sie kurz nach 12 den Gipfel. Als ich zurückkomme, sind sie bereits wieder in der Höhle.

Jan jedoch läßt auf sich warten, kommt an diesem Tag überhaupt nicht zurück. 150 m unter dem Gipfel kehrt er um, und muß kurz darauf erleben, wie unmittelbar neben ihm ein russischer Bergsteiger abrutscht und 1000 Meter in die Tiefe stürzt. Er steht unter Schock und tastet sich nun ganz langsam und vorsichtig den Berg hinunter. Er findet Aufnahme in einem Zelt auf 6400m. Bei draußen -35°C verbringt er die Nacht dort nur im Biwaksack.

Mi 14.8. Aufstehen 8 Uhr. Auch heute von Jan keine Spur, gegen Mittag werden wir dann unruhig. Christian sieht immer noch fast nichts, muß bedient und gefüttert werden. Gegen 14.30 Uhr kommen Russen zu uns und sagen, sie hätten gemeinsam mit Jan auf 6400m übernachtet. Er könne nur schlecht allein absteigen und würde auf unsere Hilfe warten. Jens packt 2 Schlafsäcke, einen Kocher und etwas Essen in seinen Rucksack und macht sich auf den Weg. Er trifft Jan und gemeinsam steigen sie langsam bis auf 6200 m ab. Dort finden sie in einem Zelt bei ein paar Polen noch ein Plätzchen zum Übernachten.

Do 15.8. Max steht 4.45 auf und steigt zu Jan und Jens empor. Jens muß noch einmal ein Stück aufsteigen, um Jans Rucksack zu holen, der durch ein Mißverständnis ein Lager weiter oben geblieben war. Max und Jan steigen gemeinsam ab, werden bald von Jens eingeholt. Zu dritt erreichen sie etwa 9.30 Uhr die Schneehöhle. Es schneit den ganzen Nachmittag und wir bleiben in unserer Höhle.

Fr 16.8. Wir stehen wieder zeitig auf, packen unsere Sachen zusammen und steigen dann langsam ab. Jan fühlt sich noch etwas schwach und Christian sieht immer noch recht schlecht. Seine Ersatzbrille hat er fast vollständig mit Pflaster zugeklebt, um seine Augen zu schonen. So stolpert er den anderen hinterher. Jan und Jens erreichen die Talsohle als erste, treffen dort noch kurz die Ischewsker, die gerade dabei sind, den tödlich verunglückten Bergsteiger mit dem Hubschrauber auszufliegen. Das war natürlich kein angenehmer Zeitpunkt, um von ihnen Abschied zu nehmen. Als Markus und Christian das Inyltschektal erreichen, ist der Hubschrauber schon gestartet. Wir gönnen uns nach Tagen der Kälte erst einmal in einer langen Pause die wärmenden Strahlen der Sonne, bevor wir bis ins Basislager zurück gehen, welches wir gegen 4 erreichen. Max und Jens beschließen, gleich am nächsten Tag zum Pik Diki aufzubrechen und packen ihre Rucksäcke neu.

Sa 17.8. Max und Jens stehen 4 Uhr auf und marschieren quer über den Inyltschekgletscher bis zur Einmündung des Sternchengletschers. Von dort aus besteigen sie dann den 4832m hohen Pik Diki. Ihr Weg führt sie zunächst über steile Schutthänge und Rinnen, oben dann über Eis und scharfe Firngrate zum Gipfel. Auf dem Rückweg finden sie auf dem Gletscher Reste eines 1959 wahrscheinlich von den Chinesen abgeschossenen Hubschraubers. Abends gegen neun erreichen sie wieder das Basislager, wo sie von Jan und Christian breits mit einem kräftigen Abendbrot erwartet werden.

So 18.8. Früh hält uns die Faulheit diesmal länger als geplant im Zelt. So verzichten wir zugunsten eines schnellen Einpackens auf ein richtiges Frühst ück, bauen die Zelte ab und bringen unser Gepäck zum Hubschrauberlandeplatz. Da allerdings mußten wir noch eine ganze Weile warten, bis wir endlich nach Maid Adyr fliegen konnten. Dort angekommen schlugen wir unser Zelt etwas abseits vom eigentlichen Lager auf.

Mo 19.8. Im der Nacht stürmt es mächtig, doch am Morgen herscht wieder schönes Wetter. Wir packen schnell zusammen, in der Hoffnung mit einem LKW oder auch Hubschrauber von hier fort zu kommen. Doch es passiert nichts und wir liegen stundenlang in der Sonne. Erst am Nachmittag gelingt es uns, zwei Kirgisen mit einer Schachtel Zigaretten zu beschwatzen, daß sie uns bis zum Ort Inyltschek mit ihrem Laster mitnehmen. Dort verbringen wir als Tramper den Abend, schlagen, als es dunkelt unsere Zelte auf der anderen Flußseite auf.

Di 20.8. Nachts Sturm und Regen. Früh stehen wir zeitig auf und stellen uns an die Straße, doch kein einziges Auto fährt vorüber. Es regnet wieder und so verziehen wir uns in das ehemalige Brückenwärterhäuschen. Mehrfach versuchen wir im Ort irgendein Auto aufzutreiben - erfolglos. Max und Jens sind gerade aufgebrochen, den Dorfladen zu suchen, um eventuell unsere ewigen M üslimahlzeiten etwas zu bereichern, da hält ein LKW. Während Jan mit dem Fahrer verhandelt und unser Gepäck auflädt, rennt Christian los, um Jens und Max zu holen. Da es regnet kriechen wir alle vier in das Fahrerhaus des 22 Jahre alten LKW. Max sitzt auf dem Motorblock, Jan und Christian machen es sich in der Ablage (un)bequem. Unten im Tal regnet es, doch oben am fast 4000 m hohen Paß Tschon Aschu hat schon der Winter Einzug gehalten. Die Hirten treiben ihre Herden ins Tal zurück. Abends kommen wir im Prshevalsk an. Der anhaltende Regen hat viele Alpinisten aus den Bergen vertrieben. Sie verwandeln den Busbahnhof in eine Pennerfestung, wir unterstützen sie dabei.

Mi 21.8. Wir verbringen den Tag mit einem Marktbummel, der ordnungsgemäßen Anmeldung bei der Polizei, dem Absenden eines Telegramms nach Hause und dem Versuch, Talant anzurufen, was uns schließlich auch gelingt. Er versichert uns, Flugkarten für den 4. September reserviert zu haben.

Do 22.8. Max steht bereits 4.30 Uhr auf und sichert uns so den ersten Platz in der Schlange am Fahrkartenschalter. Es nützt uns wenig, denn um 6 wird verk ündet: heute und morgen wird kein Bus fahren. Kurz danach schleicht ein Typ durch die Halle und bietet Plätze in seinem Bus nach Bischkek für 20 Rubel an. Wir akzeptieren und erreichen so gegen 15 Uhr Bischkek.

Fr 23.8. Wir tauschen uns auf der Bank neue Rubel ein, besichtigen das kunsthistorische Museum, schlagen uns richtig den Bauch voll und ruhen uns aus. Am Abend fahren wir zur Datsche von Talants Freundin Axana, wo wir auf der Terasse übernachten.

Sa 24.8. Talant bereitet uns eine russische Sauna, eine Prozedur, die insgesamt mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Den Rest des Tages liegen wir faul im Garten herum und bummeln durchs Dorf.

So 25.8. Wir fahren tagsüber nach Frunse, verbummeln dort unsere Zeit.Vom Riesenrad aus werfen wir einen Blick auf die Stadt.

Mo 26.8. In einem Aeroflot-Büro versuchen wir, Flug-Tickets zu bekommen. Es kostet uns fast den ganzen Tag, doch dann halten wir 4 Flugkarten für je ca. 6 DM nach Kiew für den folgenden Tag in der Hand. Talant informieren wir per Telefon, er ist etwas enttäuscht, daß wir schon heimfahren.

Di 27.8. Schon früh fahren wir zum Busbahnhof, holen dort die deponierten Dinge wieder ab, verabschieden uns von Talant und fahren zum Flugplatz. Wir haben noch ausreichend Zeit, doch die benötigen wir auch, um unser Übergepäck zu bezachlen und uns einzuchecken.
Mit einer TU-154 fliegen wir über den Aralsee und das Kaspische Meer zunächst bis Rostow am Don. Nach einer halbstündigen Pause geht es weiter nach Kiew, das wir am Abend erreichen.

Mi 28.8. Wir schauen uns in Kiew um: Sophienkathedrale, Kreschtschatik... Am Abend besuchen wir eine Disco, weil wir nur dort etwas richtiges zu Essen bekommen. Kurzzeitig werden wir verhaftet, man hält uns für Schmuggler, Spekulanten oder anderweitig Kriminelle. Der Irrtum klärt sich schnell auf und nun warnt uns die Polizei eindringlich vor ebendiesen Leuten.

Do 29.8. Wir besuchen den Komplex des Kiewer Höhlenklosters, essen Mittag im Hotel Ukraina, bummeln noch ein wenig durch die Stadt und gehen dann beim Dunkelwerden zum Bahnhof. Unsere Bemühungen, eine Platzkarte zu erhalten scheitern kläglich und so müssen wir einen Schaffner bestechen, um zunächst bis Tschop mitgenommen zu werden.

Fr 30.8. Die Zugfahrt dauert bis zum späten Abend, nicht zuletzt wegen der vielen und langen Halte. Als wir Tschop erreichen steht dort ein abfahrbereiter Zug nach Prag. Doch man läßt uns nicht einsteigen, der Zug ist schon kontrolliert worden. So machen wir uns es auf den Bahnhofsbänken bequem und warten auf den nächsten Zug.

Sa 31.8. Die Grenzkontrolle geht für uns problemlos vonstatten, während die Russen und Ukrainer alles auspacken müssen, genügt es bei uns, zu behaupten, daß wir nichts ausführen. Der Zug besteht aus einem einzigen, total überfüllten Wagen, welcher gleich hinter der Grenze fahrplanmäßig 5 Stunden lang stehenbleibt, um dann an einen Zug nach Bratislawa angehangen zu werden.
Wir erreichen Prag am Nachmittag, fahren von dort aus gleich weiter nach Dresden. Kurz vor Mitternacht sind wir dann wieder zu Hause in Meißen.

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