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Tienschan und Karakorum 1994
Chan Tengri 6995m, Pik Trevglavich 5504m, Pik Pesni Abaja 4901m,
Mirshikar 5485m, Snow Dome 5029m
Die Expeditionsmannschaft
Jörg Ehrlich, Christian Walter
Expeditionsverlauf
6.8. Nach unserer Ankunft in der kasachischen Hauptstadt Alma Ata fängt uns
die Hektik dieser Stadt sofort ein. Wir haben viel zu tun hier. Die Suche nach
Briefmarken nimmt einige Zeit in Anspruch, viel länger jedoch verbringen
wir damit, sie auf unsere vielen Expeditionspostkarten zu kleben. Am Nachmittag
versuchen wir vergeblich in der Aerobasis Burundai einen Hubschrauberflug zum
Chan Tengri Basislager zu organisieren. So fahren wir am nächsten Tag mit
dem Bus 630 km über Bischkek (ehemals Frunse) und Tscholpon Ata nach
Karakol (ehem. Prschewalsk). Auch dort vertröstet man uns: irgendwann wird
schon ein Hubschrauber fliegen, heute aber nicht. Wir wollen jedoch nicht bis
irgendwann warten und so chartern wir am 8.8. ein Auto, was uns bis fast ins
Alplager Maid Adyr bringt, die letzten 3 km müssen wir jedoch laufen, im
unwegsamen Gelände hat der Moskvich keine Chance.
9.8. Im
Alplager steht ein Hubschrauber und der wird früh am Morgen auch noch
startklar gemacht. Doch er fliegt ohne uns ab, die Soldaten des naheliegenden
Grenzpostens lassen uns nicht mitfliegen. Wir bräuchten für dieses
Gebiet eine Spezialgenehmigung und die gibt es nur in 170 km entfernten Karakol.
Nach einigem Hinundher lassen wir unsere Pässe zurück, der Chef des
Alplagers verspricht, sich für 20 US Dollar um die Genehmigung zu kümmern
und wir versprechen dem Grenzer, zurückzukommen, wenn nach drei Tagen die
Genehmigung nicht vorliegt, wohlwissend, daß wir das sowieso nicht tun
werden. Dann bringt uns der Hubschrauber bei seinen dritten Flug ins Basislager.
Dort schlagen wir unser Zelt auf und richten uns ein. Den Russen, die das Lager
verwalten, scheint es nicht zu gefallen, daß wir in den Tienschan gekommen
sind, ohne wie alle anderen Ausländer hier, den Trip bei ihrer Agentur zu
buchen.
10.8. Zunächst ist Ausruhen angesagt, der Körper muß
den Sprung auf 4100m Höhe erst einmal verkraften und sich langsam
akklimatisieren. Wir spazieren im Lager herum und nehmen Kontakt zu den anderen
Gruppen auf. Auch den folgenden Tag widmen wir der langsamen Höhenanpassung,
wir überqueren den Gletscher und inspizieren das dort befindliche
kasachische Basecamp sowie die Reste zweier abgestürzter Hubschrauber.
12.8. Wir steigen über Schutthänge und Felsstufen am Pik
Gorki empor bis in eine Höhe von 4700m um uns weiter an die Höhe zu
gewöhnen, aber auch um den herrlichen Blick über den gewaltigen
Inyltschikgletscher hinüber zum Pik Pobjeda genießen zu können.
Nach dem Abstieg packen wir unsere Rucksäcke und starten noch am Abend zum
Fuße (4100m) des Pik Trevglavich. Dort biwakieren wir, um am nächsten
morgen frühzeitig mit dem Aufstieg über die Nordflanke zu beginnen.
Gegen Mittag erreichen wir die Nordschulter, queren von dort zum Wandfuß
der steilen Gipfelpyramide und klettern dann an dieser nach oben. In einer Höhe
von ca. 5300m finden wir einen guten Platz für eine Schneehöhle und
nach zweistündigem Graben ist unser Nachtquartier bezugsfertig. In der
Nacht stürmt und schneit es und wir haben Mühe, den Höhleneingang
richtig zu verschließen. Am nächsten Tag steigen wir weiter empor,
die letzten Meter haben es noch einmal in sich. 11.30 Uhr stehen wir dann auf
dem 5504m hohen Gipfel, der Rundblick ist beeindruckend. Für den Abstieg wählen
wir eine andere Variante. Sie führt ins westliche Seitental und sieht von
oben ganz gangbar aus, entpuppt sich aber im unteren Teil als ziemlich
anspruchsvoll. Ein ca. 200m hoher, senkrechter Gletscherabbruch verlangt uns
einige diffizile Aktionen ab, schließlich haben wir nur 25 Meter Seil.
Nirgendwo sind Spuren einer früheren Begehung zu finden, wahrscheinlich hat
vor uns noch niemand diese Idee gehabt. Der Gipfel wird ohnehin nur sehr selten
bestiegen In diesem Jahr sind wir die Einzigen, der Versuch eines
britisch-ukrainischen Teams scheiterte am schlechten Wetter. Es ist schon
dunkel, als wir endlich das Basislager erreichen. Auch dort ist niemandem eine
frühere Überschreitung bekannt.
15.8. Das Wetter ist recht wechselhaft, für größere
Touren eher ungeeignet. So bringen wir 2 Tage im Basislager zu und schließen
dort einige nette Bekanntschaften mit russischen Bergsteigern. Durch unsere
russischen Sprachkenntnisse und die Tatsache, daß wir auf eigene Faust
hier sind, heben wir uns von allen anderen Ausländern in den Augen der
Russen positiv ab. Darum sind wir öfters irgendwo eingeladen. Wir
verabreden uns für den 17.8. zu einer gemeinsamen Besteigung des 4901m
hohen Pik Pesni Abaja, doch am Morgen dieses Tages stehen wir leider doch allein
da. Drei Stunden laufen wir über den Gletscher, ehe wir den Bergfuß
erreichen. Die Besteigung des Gipfels bereitet keine großen
Schwierigkeiten, 14.20 Uhr stehen wir auf dem höchsten Punkt und genießen
die Aussicht. Der Rückweg zum Basislager wird uns dann durch Nebel und
heftigen Schneefall verschönt. Den nächsten Tag verbringen wir wieder
im Basislager.
18.8. Wir schlafen lange und faulenzen bis Mittag, packen dann am
Nachmittag die Rucksäcke für den Chan Tengri. Morgen in aller Frühe
wollen wir starten, wenn alles gut geht übermorgen auf dem Gipfel stehen.
Abends schwatzen wir noch in der kleinen Bar des Lagers mit den Mitgliedern
anderer Teams. Als wir gegen 21 Uhr zu unserem Zelt zurückgehen, ist draußen
so eine phantastische Vollmondnacht, daß wir uns spontan entschließen,
sofort zu starten. In 2 Stunden sind wir im Lager 1 (4300m) und nach weiteren 3
Stunden im Lager 2 (5300m) einer französischen kommerziellen Expedition.
Doch dann wird es stockdunkel und frischer Schneefall erschwert die
Orientierung. So stopfen wir unsere Isomatten und Schlafsäcke in den
Biwaksack und legen uns in den Schnee. Einschlafen jedoch können wir nicht,
der Wind bläst uns ständig Schnee ins Gesicht.
19.8. Als es hell wird, ist es viel zu kalt zum Aufstehen uns so
warten wir, bis die Sonne unseren Schlafplatz erreicht, steigen dann weiter bis
zur Scharte, deponieren unsere Rucksäcke und steigen weiter bis in eine Höhe
von ca. 6400m. Dort kehren wir wieder um, Zeit wäre schon noch genug
gewesen bis zum Gipfel, aber da wir in der letzten Nacht keine Minute Schlaf
hatten, sind wir zu müde, um uns noch ausreichend konzentrieren zu können.
Das aber ist unbedingt nötig bei der Kletterei im steilen und teilweise
recht anspruchsvollen Fels. So übernachten wir in 5800m Höhe gemeinsam
mit 2 russischen Bergführern in einer Schneehöhle. Insgesamt sind wohl
40 Mann hier im Lager 5800m, fast alle wollen morgen zum Gipfel oder aber zu den
Hochlagerplätzen auf 6100m und 6400m.
20.8. Als wir 7.30 zum Gipfel aufbrechen, sind alle anderen schon eine
Weile unterwegs, doch es dauert nicht lange und wir haben den Pulk eingeholt. An
den von den Russen mit Fixseilen versicherten Steilstellen kommt es zum Stau,
besonders die vielleicht 20-köpfige französiche Truppe blockiert den
gesamten Aufstiegsweg. Ich quere etwas nach rechts und klettere abseits des üblichen
Weges soweit empor, bis ich fast alle anderen unter mir gelassen habe. Jörg
versucht, den Stau von hinten her aufzurollen, er braucht aber wesentlich länger
dafür. Der Aufstieg, der bis in eine Höhe von 6600m stets nahe des
Westgrates verläuft, führt dann nach einer Rechtsquerung und einer
recht schweren Felsstufe durch ein steiles Schneecolouir. Vor mir sind jetzt nur
noch zwei andere Bergsteiger, hinter mir scheinen alle umgekehrt zu sein. Weiter
geht es über einen Schneegrat, eine weitere steile Felsstufe und
kombiniertes Gelände zum Gipfelschneefeld. 12.40 Uhr stehe ich dann auf dem
6995m hohen Gipfel. Zu sehen ist nicht viel, Wolken hüllen ihn ein. Nach
einer kurzen Trink- und Fotopause steige ich wieder hinunter. Im Colouir kommt
mir Jörg entgegen, er ist der einzige, der heute noch zum Gipfel will, doch
durch die Blockade der Franzosen hat er viel Zeit verloren. Weiter unten finde
ich einen Russen kopfunter hilflos in den Fixseilen zappelnd. Ich befreie ihn
aus seiner mißlichen Situation und er bittet mich, seinen Freunden zu
sagen, daß er noch kommen würde, folgen kann er meinem Abstiegstempo
nicht. Als ich 15.30 Uhr nach 1200m Abstieg die Scharte erreiche, fängt es
an zu schneien. Ich lasse all unsere Lebensmittel für Jörg in der Höhle
zurück und steige, wie mit ihm abgesprochen, gleich weiter ins Basislager
ab, welches ich 19.30 Uhr erreiche. Auch Jörg schafft es als dritter und
letzter Besteiger an diesem Tag, den Gipfel zu erklimmen, zurück zur
Schneehöhle kommt er erst im Mondschein.
21.8. Zu Mittag kommt Jörg herunter ins Basislager. Abends sind
wir zu einer Abschlußparty eingeladen, im Lager herrscht Aufbruchstimmung.
Alle reden von Winteranfang und meterhohem Schnee, der in den nächsten
Tagen zu erwarten sei, wir sollten doch unbedingt mit ihrem Hubschrauber
mitfliegen. Wir jedoch hoffen trotz anhaltenden Schneefalls noch auf
Wetterbesserung und so sind wir ab dem 24.8. allein im Lager. Als es jedoch am
27.8. immer noch schneit, geben wir auf und machen uns zu Fuß auf den Weg,
wohlwissend, daß es bis zur nächsten Siedlung 5 oder mehr Tage sind.
Auf dem geröllübersäten und zerklüfteten Inyltschikgletscher
kommen wir nur sehr mühsam voran. Die viel zu schweren Rucksäcke dämpfen
die Freude über den landschaftlich wunderschönen Weg. Am Nachmittag
des 28. erreichen wir die berühmte Merzbacherwiese und treffen dort ein
Team aus Freiberg. Sie warten auf einen Hubschrauber, der sie von dort abholt.
Wir spekulieren darauf, daß im Hubschrauber schon noch Platz für uns
zwei sein wird und warten einfach mit.
30.8. Endlich kommt der Hubschrauber, und er hat auch noch Platz für
uns. Zunächst fliegen wir zum Alplager Nord-Inyltschek, können von
dort die gigantische Nordwand des Chan Tengri bewundern. Es werden noch ein paar
Russen eingesammelt, dann geht es über bizarre Bergketten und majestätische
Gletscher hinweg zurück zur Zivilisation. Wir landen in der kasachischen
Hubschrauberbasis Karkara. Von dort nimmt uns ein netter Russe mit zurück
ins 250 km entfernte Alma Ata. Dort erwischen wir noch einen Bus, der uns
noch einmal 230 km bis Bischkek bringt.
31.8. Den ganzen Tag verbringen wir im Bus. Wir fahren 360 km über
Rybatsche und Naryn nach At Baschi, der letzten größeren Ortschaft
vor der chinesischen Grenze. Dort werden wir erst einmal vorläufig
festgenommen. Den Polizisten gefallen unsere Visa nicht, aber uns ist sofort
klar, die wollen nur Geld. Auf der Polizeistation versucht man uns einzuschüchtern
und stellt uns dann in Aussicht, uns für 400 Dollar pro Mann wieder laufen
zu lassen. Als wir ablehnen werden uns 400 kirgisische Som vorgeschlagen (ca. 40
Dollar), andernfalls würde man uns nach Naryn zurückschicken.
Abgelehnt. Man tuschelt, der Chef verschwindet und nach einer Weile läßt
man uns laufen. Das heißt, man verfrachtet uns in ein schon
bereitstehendes Auto und sagt uns, wir sollten unverzüglich zur Grenze
fahren, ehe der Chef was bemerkt. Nach wenigen Metern stoppt der Wagen und wir
verhandeln über den Fahrpreis. 400 Dollar will der junge Bursche haben und
uns ist sofort klar, daß es nur der Sohn des Polizeichefs sein kann. Nach über
halbstündiger Diskussion bekommt er dann 78 Dollar plus 50 DM sowie den für
uns ohnehin wertlosen Rest des kirgisischen Geldes - immer noch viel zu viel für
die 150 km lange Stecke. Im Preis inbegriffen ist jedoch auch eine Übernachtung
bei seiner Familie inklusive Frühstück und Abendbrot. Dem Polizeichef
ist dies sichtlich peinlich, er verschwindet sofort, als wir sein Haus betreten.
1.9. Mit dem Lada geht es zügig über die staubige Piste,
traumhafte Bergketten säumen den Weg, der Höhenmesser klettert auf
3500m. Ein Grenzvorposten, der unseren Fahrer nicht passieren lassen will, wird
einfach in großem Bogen umfahren, erstaunlich, was der Lada im Gelände
so schafft. Am kirgisischen Grenzposten haben wir keinerlei Probleme, dafür
auf der chinesischen Seite um so mehr. Direkt an der Grenze, oben auf dem 3752m
hohen Torugartpaß steht ein chinesischer Grenzer und läßt uns
nicht passieren. Der eigentliche Checkpost ist erst unten im Tal, doch der
Grenzer entscheidet ganz souverän, daß wir trotz gültigem
Chinavisum nicht einreisen dürfen, da ja niemand da ist, der uns abholt. So
setzen wir uns einfach vor seine Hütte und warten, drohen ihm, nachts unser
Zelt hier aufzuschlagem. Nach 3 Stunden läßt er uns ohne
ersichtlichen Grund plötzlich gehen. Wir fragen nicht warum und sehen zu, daß
wir wegkommen. An der Zollstation im Tal haben wir dann keine größeren
Probleme, so daß wir noch am Abend das 180 km entfernte Kashgar erreichen.
2.9. In Kashgar gibt es viel zu sehen. Wir leihen uns Fahrräder
aus und mischen uns unter Leute, genießen drei Tage lang das bunte Treiben
und erfreuen uns am chinesischen Essen. Der Sonntagsmarkt ist beeindruckend, ein
ganzes Stadtviertel verwandelt sich in einen einzigen Handelsplatz. Fast alles
kann mann hier kaufen, von der Fahrradklingel bis zum Schneeleopardenfell. Auf
dem Viehmarkt - dem Besten was Kashgar zu bieten hat - belichten wir gleich
mehrere Filme.
5.9. Wieder einmal fahren wir den ganzen Tag lang mit dem Bus, doch
die abwechslungsreiche Landschaft (von Wüste bis Hochgebirge ist alles
dabei) sowie die häufigen Paßkontrollen durch chinesisches Militär
lassen keine Langeweile aufkommen. Am majestätischen 7546 hohen Mustagh Ata
vorbei fahren wir auf dem berühmten Karakorum Highway bis nach Taxkorgan.
Am nächsten Morgen geht es nach einer umständlichen Paß- und
Zollkontrolle mit dem gleichen Bus weiter in Richtung Pakistan. Doch wir werden
noch dreimal kontrolliert, ehe wir über den 4700m hohen Kunjerab-Paß
das Land der Mitte verlassen. Der Bus fährt bis ins pakistanische Sust
(2700m). Die Grenzkontrolle geht schnell und problemlos vonstatten und kurz
danach sind wir schon wieder unterwegs, fahren weiter bis Pasu. Von dort aus
erreichen wir am nächsten Tag in einer sehr interessanten Fahrt durch das
schroffe Hunzatal die Stadt Gilgit (1490m). Von unseren pakistanischen Freunden
werden wir im "Tourist Hamlet" Hotel mit großem Hallo empfangen.
8.9. Wir schlafen lange und packen dann unsere Rucksäcke für
den nächsten Trip, lassen alles entbehrliche im Hotel zurück. In einem
übervollen Ford Transit fahren wir ins 2200m hoch gelegene Minapin, übernachten
dort im freundlichen Diran Guest House. Am nächsten Tag steigen wir auf
steilen Pfaden zunächst bis zur Sommersiedlung Hapa Kun und dann weiter bis
ins 3300m hoch gelegene Basislager des 7788m hohen Rakaposhi. Die Rucksäcke
sind schwer, dennoch verzichten wir auf die uns angebotenen Trägerdienste.
Wir wissen: allein können wir das Basecamp an einem Tag erreichen, mit Trägern
brauchen wir dazu zwei Tage - undiskutabel. Das Basislager liegt idyllisch auf
einer Wiese über dem Minapingletscher. Außer uns sind noch 2 deutsche
Touristen hier, sie jedoch mit Bergführer, Koch und 4 Trägern.
10.9. Wir überqueren den Minapingletscher um zum Basislager des
7257 hohen Diran Peaks zu gelangen. Von dort müßte man einen super
Blick zum Rakaposhi haben. Doch bald fängt es an zu regnen und durch die
tief hängenden Wolken sieht man überhaupt keinen Berg mehr. Im 3500m
hohen Diran Basecamp schlagen wir unser Zelt auf. In einer Regenpause können
wir den 5485m hohen Mirshikar bewundern, Diran und Rakaposhi jedoch bleiben in
den Wolken.
11.9. Früh um 6 klingelt der Wecker, doch der Regen trommelt aufs
Zeltdach und so bleiben wir liegen. 7.30 hört der Regen erst einmal auf und
ich breche auf, den Mirshikar zu besteigen. Jörg bleibt im Zelt, er geht
(zu Recht) davon aus, daß es schon in einer halben Stunde wieder in Strömen
regnen wird. Zügig steige ich nach oben. Als der Regen wieder anfängt,
bin ich zum Glück schon an der Schneefallgrenze. Erst rechts des Südgrates
durch Schuttfelder, später dann direkt auf dem verschneiten Felsgrat
klettere ich nach oben. Die ersten Gendarme kann ich noch überklettern,
dann jedoch versperrt mir einer den Weg und ich muß 50m in ein Seitental
absteigen um ihn zu umgehen. Das kostet viel Zeit und gerade davon habe ich,
wenn ich die 2000m Auf- und Abstieg heute schaffen will nicht im Übermaß.
12 Uhr erreiche ich die Stelle, an der der Südgrat auf den Hauptgrat stößt,
bis zum Gipfel scheint es nicht mehr weit zu sein. Doch das täuscht. Als
ich auf dem vermeintlich höchsten Punkt stehe, reißen die Wolken kurz
auf und ich sehe, daß ich nur auf einem Vorgipfel stehe. Der teilweise
exponierte Grat zieht sich noch ein ganzes Stück hin bis zum Gipfel.
Heftiger Sturm, der mir immer wieder kleine Eissplitter ins Gesicht wirft, macht
das Klettern direkt auf dem schmalen Grat micht gerade vergnüglich. 13.45
Uhr erreiche ich den 5485m hohen Gipfel. Die Sicht ist recht schlecht, so daß
auf den Gipfelfotos nicht viel zu sehen ist - macht nichts, der Sieg zählt.
Für den Abstieg wähle ich eine direkte Variante, steige in
Gipfelfallinie eine steile Rinne hinunter. Das geht sehr schnell, so daß
ich schon 16.30 Uhr wieder zurück am Zelt bin. Selbstverständlich
regnet es wieder den ganzen Abend und in der Nacht kämpfen wir gegen einen
See, der sich im inneren unseres Zeltes stetig vergrößert.
12.9.Der Regen läßt nach, und wir packen schnell zusammen,
steigen dann auf der linken Gletscherseite hinunter ins Tal. Der Weg ist sehr
interessant, teilweise recht exponiert. Uns ist es ein Rätsel, wie die
Einheimischen da ihre Kühe entlangtreiben. Unten in Minapin breiten wir im
Garten des Hotels unsere völlig durchnäßten Schlafsäcke zum
Trocknen aus. Am nächsten Tag fahren wir nach Gilgit zurück.
14.9. Jörg hat seit dem Diran Basecamp Probleme mit seinem Knie
und so breche ich allein auf, fahre in aller Frühe los in Richtung Pasu,
welches ich 12.30 erreiche. Von dort aus wandere ich in Richtung Pasu-Gletscher.
Das Tal ist trocken und staubig, die Luft verdammt heiß und der Rucksack
schwer. Dennoch gefällt es mir. Ein Tierpfad schlängelt sich noch eine
ganze Weile neben dem Gletscher entlang, an seinem Ende steht eine verlassene
Hirtenunterkunft. Dort übernachte ich. Am nächsten Tag versuche ich,
auf dem Gletscher nach oben zu steigen. Dieser ist völlig ausgeapert, man
sieht also jede Spalte und somit ist die Gefahr in eine hineinzufallen gering.
Doch nach 2 km wird der Gletscher so zerklüftet, daß ein Vorankommen
immer schwieriger wird. Am Nachmittag muß ich leider resümieren, daß
ich am ganzen Tag nur 5 km vorangekommen bin und daß es morgen noch viel
weniger sein würden. Der 5645m hohe Kingly Peak, auf den ich etwas gehofft
hatte, ist zumindest von dieser Seite aus auch viel zu steil, um ihn allein
und ohne Seil besteigen zu können
und so beschließe ich, umzukehren, zumal ich alles gesehen hatte, was ich
mir in diesem Tal anschauen wollte. Ich übernachte im Zelt auf dem
Gletscher und steige dann am nächsten Tag wieder nach Pasu hinunter und
fahre noch am Abend bis nach Chalt, wo ich in einem recht heruntergekommenen
Hotel übernachte. Jörg läßt es sich inzwischen in Gilgit
gut gehen. Er fährt mit unseren pakistanischen Freunden zum Angeln,
anderntags gehen sie auf (erfolglose) Fasanenjagd.
17.9. Von Chalt (1700m) aus wandere ich im Chaprot-Tal bergaufwärts.
Vorbei an den Ortschaften Chaprot und Boladas führt der Weg durch das grüne
Tal. Neugierige Kinder begleiten mich eine ganze Weile, verschleierte Frauen
rennen vor mir davon. Es fängt an zu nieseln und dicke Wolken versperren
jede Aussicht. Später schneit es dann. Am Beginn des Gletschers (ca. 3400m)
treffe ich noch einmal zwei Hirten mit ihren Tieren. Ich übernachte mit in
ihrer einfachen Hütte, es ist sehr interessant zu erfahren, wie sie leben.
18.9. Nach einem ausgiebigen Frühstück geht es weiter nach
oben. Neben dem Gletscher steige ich über Geröll ca. 1000m hoch, dann öffnet
sich das Hochtal und ein breites Gletscherbecken liegt vor mir. Ich kann den Paß
erkennen und ich sehe auch sofort, warum mir die Einheimischen alle sagten, ich
wäre im ganz verkehrten Tal - um nach Shani zu kommen, müsse man über
den Daintar-Paß gehen. Der in meiner Karte eingezeichnete Wanderweg über
den Paß besteht in der Praxis aus einer steilen 100m Eiskletterei und
einem gut 2m hohen, fast unüberwindbaren Bergschrund. Doch in der Felswand
rechts neben der Scharte scheint es eine Möglichkeit zu geben. Über
verschneite Bänder und vereiste Felsstufen gelange ich dann doch bis in die
4636m hohe Scharte, schlage dort, da es schon wieder stürmt und schneit,
mein Zelt auf. Jörg fährt inzwischen von Gilgit nach Naltar, hat
dabei Kurzweil durch einen kaputtgegangenen Jeep und interessante Gespräche
mit den Einheimischen.
19.9. Die ganze Nacht hindurch stürmt es mächtig und ich
habe Angst, daß unser Zelt - nach 3 Expeditionen nicht mehr das neueste -
mit lautem Knall zerreißt. Tut es aber nicht. Ich frühstücke 6
Uhr, liege aber noch bis 8.40 Uhr im Zelt, erst dann wird das Wetter besser. Ich
breche auf um den 5029m hohen Snow Dome zu besteigen. Zunächst steige ich
durch die Südwestwand, erreiche dann 9.40 den Südgrat und folge diesem
zum Gipfel. Wieder hat der sich hinter einem Vorgipfel versteckt, doch diesmal
sind es nur 25 Minuten, die beide trennen. 10.45 Uhr bin ich dann auf dem
Gipfel, und wieder einmal gibt es außer Wolken nicht viel zu sehen. Ich
steige wieder hinunter zum Zelt, welches ich 12 Uhr erreiche, packe zusammen und
steige ins Tal hinunter. Auch auf dieser Seite des Passes lassen sich nur wenige
Übereinstimmungen zwischen Natur und SAC-Karte finden, ein Weg jedoch ganz
bestimmt nicht. In Lower Shani übernachte ich auf einer herrlich grünen
Wiese.
Jörg ist inzwischen, zunächst mit einem Forstarbeiter-Jeep, dann
zu Fuß, zum Naltar Lake gekommen. Während ich ahne, daß er dort
sein könnte, weiß er nichts von meiner Nähe - von Lower Shani
sind es nur 12 km bis zum See.
Am nächsten Morgen gehe ich talabwärts zum Naltar Lake, erfahre
dort, daß Jörg 3 Stunden zuvor noch da war, nun aber, da das
ausgeliehene Zelt nicht funktionierte, wieder nach Naltar zurückgegangen
sei. So folge ich seinem Weg, treffe ihn tatsächlich in Naltar. Gemeinsam
fahren wir zurück nach Gilgit, wo wir auch den folgenden Tag verbringen und
das unbrauchbare Zelt zurückgeben.
22.9. Wir wollen zum Nanga Parbat und so fahren wir am Nachmittag
nach Gunar Farm, übernachten dort und starten am nächsten Morgen von
Bunar Das (1100m) aus zu Fuß in Richtung Nanga Parbat Diamirseite. Über
staubige Wege gelangen wir nach Dimroi und von da aus durch ein tief
eingeschnittenes Tal ins 2500m hoch gelegene Zankot. Dort ist es schon recht spät
am Nachmittag und so nehmen wir gern die Einladung eines alten Mannes an, im
fast fertigen Hausneubau seines Sohnes zu übernachten.
24.9. Ich breche früh auf, um zum Nanga Parbat Basislager
aufzusteigen, Jörg bleibt in Zankot, sein Knieschmerz hat sich zurückgemeldet.
Am linken Talhang schlängelt sich der Weg nach oben. Bergbauernsiedlungen,
Maisfelder auf schmalen Terrassen, kahlgefressene Weiden und dichter Wald
wechseln einander ab. Der Diamirgletscher beginnt, doch der Weg führt neben
ihm noch eine ganze Weile durch den Wald. Dann öffnet sich der Blick auf
eine langgezogene Wiese, an deren hinterem Ende sich der Platz für das
Basislager befindet. Vom Nanga Parbat jedoch keine Spur, dicke Wolken überall.
Bald fängt es an zu schneien und daß bereitet mir einige Probleme,
habe ich doch das Zelt in Zankot gelassen. Lange suche ich, ehe ich unter dem Überhang
eines großen Steines einen Schlafplatz finde. Auch am nächsten Morgen
ist der Nanga Parbat von Wolken verdeckt, doch ich will solange warten, bis ich
den Aufstiegsweg über die Kinshoferroute einsehen kann. Also warte ich, bei
mir scheint schließlich schon die Sonne. Gegen 12 Uhr öffnen sich
kurz die Wolken, ich knipse 1 1/2 Filme voll und schon ist der Nanga Parbat
wieder verschwunden. Also laufe ich wieder zurück nach Zankot, welches ich
am Abend erreiche. Am nächsten Tag steigen wir wieder nach Bunar Das ab und
trampen dann nach Jaglot.
27.9. Mit einen Jeep im Linienverkehr fahren wir nach Astor. Wir
wollen unseren Freund Jehangir besuchen und uns auch die Rupalseite des Nanga
Parbat anschauen. Die Fahrt durch das enge Tal des Astor-Flusses, über
schmale Serpentinenstraßen und luftige Hängebrücken begeistert
uns, auch wenn es zu fünfzehnt im Toyota Landcruiser recht eng ist. Wir übernachten
in Astor und fahren am nächsten Tag weiter nach Chorit. Von dort müssen
wir noch nach Nahaky, einem zu Tarshing gehörenden Dorf, laufen, um unseren
Freund zu finden. Jehangir freut sich mächtig über unser Kommen, wir
werden bewirtet wie die Könige.
29.9. Gemeinsam mit Jehangir wandern wir nach Rupal und weiter bis ins
3400m hoch gelegene Basislager. Das Wetter ist traumhaft schön und so können
wir den ganzen Tag lang den Nanga Parbat mit seiner gewaltigen, 4500m hohen
Rupalwand bewundern. Am nächsten Morgen steige ich am gegenüberliegenden
Rupalpeak bis in eine Höhe von 4600m um einige Details der Aufstiegsrouten
besser betrachten zu können. Gemeinsam gehen wir dann nach Nahaky zurück,
übernachten wieder bei Jehangir. Er würde uns gern noch ein paar Tage
dabehalten, doch wir müssen weiter, haben noch viel vor und nicht mehr
soviel Zeit. Also fahren wir am 1.10. über Astor zurück nach Jaglot
und von dort über Nacht mit dem Bus 520 km auf dem Karakorum Highway bis
nach Rawalpindi, welches wir früh um 7 Uhr erreichen. Unsere Tasche mit
einem Teil des Gepäcks ist auch schon das, aus Gilgit hat sie uns ein
netter Pakistani hierher mitgenommen. Wir erfahren, daß in Indien die Pest
ausgebrochen ist und das daraufhin Pakistan sämtliche Grenzen geschlossen
und den Luftverkehr eingestellt hat. Unser Rückflug ist aber für den
12. Oktober von Delhi gebucht - was nun?
3.10. Wir fahren nach Islamabad. Dort ist bei Lufthansa zwar gerade
der Computer ausgefallen, doch man versichert uns, daß wir ohne Aufpreis
am gleichen Tag auch ab Karachi fliegen könnten. Am Abend gehen wir zur
Deutschen Botschaft. Es ist der Tag der deutschen Einheit und in Gilgit hatte
man uns den Tip gegeben, das da eine Party wäre. Man läßt uns
sogar ohne Schlips und Einladung hinein. Wir unterhalten uns recht nett und
halten uns an Bar und Buffet schadlos.
4.10. Unser Freund Javed, Verbindungsoffizier bei unserer letztjährigen
Expedition holt uns vom Hotel ab. Wir verbringen diesen und den nächsten
Tag mit ihm in Rawalpini und dem nahegelegenen Islamabad, fahren dann am 6.10.
gemeinsam nach Lahore, der ehemaligen Hauptstadt Pakistans. In Lahore
beeindrucken uns die vielen historischen Bauten, so zum Beispiel der sehr gut
erhaltene Königspalast und mehrere schöne Moscheen.
9.10. Wir fliegen von Lahore in den äußersten Süden
Pakistans, nach Karachi. Dort erschlägt uns die Hitze. Wir haben keine
Lust, hier noch 2 Tage zu bleiben und überzeugen das Lufthansapersonal
davon, daß wir schon morgen fliegen müssen, natürlich ohne
Umbuchungsgebühr. Dann sehen wir uns die Stadt an, staunen über die
schönen und auch gutbesuchten Christuskirchen inmitten dieses streng
moslemischen Landes und erfreuen uns zum letzten Mal am bunten Treiben auf den
Straßen. Am 10.10. fliegen wir dann über Bahrain und Frankfurt zurück nach Dresden.
Weiterführende Informationen zum Tienschan erhalten Sie auf unserer Tienschan-Infoseite,
zum Karakorum empfehlen wir Ihnen unsere umfangreiche Karakorum-Infoseite.
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